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Spaziergang im Regen

Spaziergang im Regen

Titel: Spaziergang im Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Barnard
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hätten. Aber was danach?
    »Hast du dir die Zunge abgebissen?« fragte Jessa spöttisch und wandte sich ab, um ihr Hemd aufzuknöpfen, nachdem sie ihre Weste abgelegt hatte.
    Es klopfte leise, und Brads Stimme erklang durch die verschlossene Tür. »Meine Damen, wir müssen in einer halben Stunde zum Empfang im Rainbow Room. Ich habe die Massen damit vertröstet, dass Sie sich später unter sie mischen werden, damit sie Ihnen dann zu Ihrem Konzert gratulieren können.«
    »Ich . . . Ich gehe lieber, damit du dich umziehen kannst«, murmelte Shara beschämt; heiße Tränen traten in ihre Augen und rollten über ihre Wangen. Weil sie die beißende Bemerkung nicht ertragen hätte, die sie von Jessa als Antwort erwartete, riss sie die Tür auf und wäre fast mit Brad zusammengestoßen.
    »Scheiße!« Jessa schlug wütend mit der Hand auf den Schminktisch und biss die Zähne aufeinander, um nicht zusammenzubrechen und loszuheulen. Wie hatte sie es nur geschafft, einen ihrer beruflichen Höhepunkte so spektakulär zu verpfuschen? Habe ich ihr wirklich gesagt, dass ich sie liebe? Nein, natürlich nicht. Das war doch nur rein hypothetisch gemeint . . .
    »Aber sicher doch«, sagte sie laut. Alle haben dir dein ganzes Leben lang gesagt, dass du eine besondere Begabung hast. Das musst du wohl, weil es einiges an Begabung verlangt, eigenhändig einen wunderbaren Abend in einen fürchterlichen zu verwandeln, der Süße einer deiner besten Aufführungen einen bitteren Nachgeschmack zu geben und die Frau zu kränken, die diese Aufführung inspiriert hat – und all das in einer Minute. Die Frau, die du liebst, seit du mit ihr im Regen spazierengegangen bist.
    »Frau Hanson?« fragte Brad mit ungewöhnlich sanfter Stimme. »Möchten Sie etwas?«
    »Nein, danke . . . Warten Sie, können Sie mir eine Flasche Mineralwasser besorgen?«
    »Kommt sofort. Aber verlassen Sie unter keinen Umständen den Raum, bis ich wieder da bin, abgemacht?«
    »Sicher«, antwortete Jessa leise, während sie sich weiter auszog.
    Als Brad zurückkehrte war sie in eine Art halbbewusste Taubheit versunken und stand nur in Unterwäsche mitten im Raum. Ihre spärliche Bekleidung brachte ihn nicht aus der Fassung, dafür hatte er sich zu lange um die Sicherheit von Models und anderen unbefangenen Leuten gekümmert. »Es wurden auch mehrere Nachrichten abgegeben und fast ein Duzend Blumensträuße. Ich habe Ihnen die Karten mitgebracht, die bei den Sträußen waren, aber was soll ich mit den Blumen machen?«
    »Schicken Sie sie in ein Altersheim, suchen Sie sich eins aus«, sagte sie mit matter Stimme.
    Er reichte ihr die Karten. »Vielleicht heitern Sie die hier auf. Wir fahren in zwanzig Minuten, spätestens aber fünfundzwanzig.«
    »Danke, Brad.« Jessa zwang sich zu einem Lächeln.
    Nach einem kurzen Zögern, als wollte er noch etwas sagen, zog Brad sich taktvoll zurück.
    Jessa ließ sich in einen Sessel fallen und blätterte durch die Karten, die zwar in Umschlägen steckten, die allerdings als Vorsichtsmaßnahme von Brad vorher geöffnet worden waren. Die meisten wünschten ihr viel Glück für das bevorstehende Konzert, einige waren Glückwünsche nach dem Konzert, aber eine Karte war per internationalem Kurier von London gekommen. Der Absender war ›D. Finch‹. Jessa erkannte die Adresse in Highgate und faltete die Nachricht auseinander, die auf geprägtem Briefpapier geschrieben war.
    Aus irgendeinem Grund hatte Sharas Verlobter Jessa nicht zu der Premiere mit den New Yorker Philharmonikern gratuliert, sondern statt dessen die Gelegenheit genutzt, ihr an diese berühmte Adresse eine besitzanzeigende Mitteilung zu schicken. Sie lautete schlicht: »Sehr geehrte Frau Hanson, bitte benachrichtigen Sie Shara, dass ich Sonntag zu ihr nach Toronto kommen werde.«
    Jessa lachte freudlos. Habe schon begriffen, Herr Finch. Und danke, dass Sie mich davor bewahren, mich mit ihrer Verlobten noch mehr zum Affen zu machen.

Kapitel 17
    D erek gab zwischendurch Bescheid, dass er erst am Montag in Toronto eintreffen würde, aber weder seine verspätete Ankunft noch Lisas Anwesenheit trugen dazu bei, die Stimmung zwischen Shara und Jessa aufzutauen.
    Jessa hatte Shara am Donnerstag vor der Abfahrt zum Rainbow Room Dereks Mitteilung in die Hand gedrückt und danach nur noch mit ihr geredet, wenn es unbedingt notwendig war.
    Sie kam zwar dem Versprechen nach, Shara an allem zu beteiligen, tat dies aber mit zurückhaltender Höflichkeit, die den Zorn Lügen

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