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Spaziergang im Regen

Spaziergang im Regen

Titel: Spaziergang im Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Barnard
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aus dem Taxi und drückte das Päckchen an sich, um die guten Wünsche, die positive Energie und den Weihnachtsgedanken in sich aufzunehmen, die der Inhalt symbolisierte. Die Kinder in der Schule hatten mitbekommen, dass sie oft ihre Autoschlüssel verlegte, also hatten sie ihr eine Schale gebastelt, in der sie sie aufbewahren konnte. Sie war aus rotem Ton, aber außen mit Duzenden von kleinen, buntbemalten Keramikfliesen übersät. Jedes Kind im Programm hatte eine Fliese mit der Hand bemalt und dann in den noch nassen Ton der leicht krummen Schale gedrückt, bevor sie glasiert und gebrannt worden war. Als Jessa sie erblickt hatte, war sie zu Tränen gerührt gewesen. Sie hatten sie ihr vor einer halben Stunde, nach Abschluss des Weihnachtskonzerts überreicht. Ein Konzert, das unglaublich gut gewesen war, wenn man bedachte, dass das Programm erst vor zwei Jahren aus der Taufe gehoben worden war.
    Das letzte Lied war Stille Nacht gewesen. Die Kinder hatten außerordentlich hart daran gearbeitet, damit sie beim Spielen keine Noten lesen mussten und bei Kerzenschein spielen konnten. Sogar die Eltern hatten ihren Teil dazu beigetragen und an ihren Fotoapparaten die Blitzlichter ausgeschaltet. Der Effekt war so wunderbar gewesen, dass Jessa eine Gänsehaut bekommen hatte. Aber es hatte auch dazu geführt, dass sie sich nun schrecklich einsam fühlte.
    Es hatte sich als weise herausgestellt, dass Jessa beschlossen hatte, nicht selbst zu fahren; der Schulparkplatz war überfüllt gewesen und auch am Straßenrand hatte es keinen freien Platz gegeben. Sie hatte sich gerade an den Straßenrand gestellt, um auf das Taxi zu warten, als es angefangen hatte zu schneien. Die weichen Flocken waren auf ihren Mantel und ihre Haare gefallen, als die Familien, Lehrer und freiwilligen Helfer aus der Schule geströmt waren; die Stimmen der Kinder waren angesichts der Aussicht auf eine weiße Weihnacht aufgeregt gewesen. Jessa hatte sich gefragt, ob es dort, wo Shara gerade war, auch schneite. War Shara in Irland, bei ihrer Familie? Oder war sie in Hollywood und gab weiterhin vor, die Frau zu sein, deren Herz sie noch immer in Händen hielt?
    Sie wusste, dass Shara nicht mehr mit Derek zusammen war. Wie Stephanie hatte auch Derek die Klatschblätter als Racheinstrument benutzt und sich selbst als den untröstlichen verschmähten Verlobten präsentiert, dem von der Frau Unrecht getan worden war, die er abgöttisch geliebt hatte, obwohl sie nicht einmal seiner sozialen Schicht entstammte. Jessa hatte hilflose Wut empfunden, als sie die Schlagzeile sah. Trotz der Art und Weise, wie Shara sie behandelt hatte, und obwohl sie ihr nie eine Chance gegeben hatte, die Dinge richtig zu stellen, liebte sie Shara Quinn und wollte alles Böse von ihr abwenden.
    Jessa zögerte kurz, bevor sie die Straße überquerte, um ihr Gebäude zu betreten. Gedanken an Shara hatten manchmal diese Wirkung: Sie war dann wie gelähmt. Sie hatte gelernt, es nicht zu bekämpfen. Sie ließ die Gedanken an Shara zu und hob ihr Gesicht gen Himmel, um die eisigen Küsse der Schneeflocken willkommen zu heißen und sich dadurch zu trösten, dass die Frau, die sie liebte, irgendwo unter demselben Himmel war.
    »Jessa?«
    Sie dachte zuerst, dass sie es sich eingebildet hätte – Sharas Stimme, die zaghaft ihren Namen rief. Sie schüttelte fast unmerklich den Kopf und begann dann, die Straße zu überqueren; es gab kaum Verkehr am Weihnachtsabend in Clerkenwell.
    »Jessa! Warte!«
    Mit weichen Knien drehte sie sich um, gerade als Shara aus dem Schatten der Klostermauer trat, wo sie gestanden hatte. »Shara«, sagte Jessa mit schwacher Stimme. Sie wunderte sich, ob sie nun endgültig den Verstand verloren hatte.
    »Hiya, Jessa.« Ein nervöses Lächeln umspielte Sharas Lippen.
    Jessa verschlang ihr Antlitz mit Blicken. Ihr Haar war genauso kurz wie damals, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, aber es war durchnässt von geschmolzenem Schnee. Sie mochte zwar in Kalifornien gearbeitet haben, aber ihre Haut war bleich wie der Tod, und das schwache Leuchten der Straßenlaterne ließ ihre Augen groß und mit Besorgnis erfüllt erscheinen.
    »Ich hoffe, ich störe nicht deine Weihnachtsfeierlichkeiten, und ich werde versuchen, nicht allzuviel von deiner Zeit in Anspruch zu nehmen.« Sie sprach rasch, als befürchtete sie, Jessa würde sie unterbrechen oder davonlaufen.
    Jessa war überrascht, wie nervös sie klang und wie sehr ihre Stimme zitterte. »Ich feiere Weihnachten

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