Special - Zeig dein wahres Gesicht
Momente erinnern, in denen sie zufrieden gewesen war – als Blubberkopf, sogar als Smokey. Aber aus irgendeinem Grund dauerte diese Zufriedenheit nie lange. Es endete immer damit, dass sie sich veränderte, dass sie gegen ihre Grenzen anrannte und für die Menschen um sie herum alles kaputt machte.
„Es ist nicht immer meine Schuld“, sagte sie leise. „Manchmal werden die Dinge einfach kompliziert.“
„Na, vertrau mir in dieser Sache, Tally. Wenn du Zane aufsuchst, dann wird es richtig kompliziert. Lass ihm einfach Zeit, seinen eigenen Weg hierher zu finden. Bist du bei uns nicht glücklich?“
Tally nickte langsam – sie war wirklich glücklich. Ihre Special-Sinne ließen die ganze Welt eisig werden, und jeder Augenblick in diesem neuen Körper war besser als ein ganzes Jahr als Pretty. Aber jetzt, da sie wusste, dass Zane gesund war, brachte sein Fehlen alles durcheinander. Plötzlich kam sie sich unfertig und unwirklich vor.
„Ich bin glücklich, Shay-la. Aber weißt du noch, wie Zane und ich beim letzten Mal aus der Stadt entkommen sind? Und dich zurückgelassen haben? Also, das kann ich kein zweites Mal tun.“
Shay schüttelte den Kopf. „Manchmal musst du Menschen einfach loslassen, Tally-wa.“
„Ich hätte dich letzte Nacht also loslassen sollen, Shay? Dich einfach ertrinken lassen?“
Shay stöhnte. „Tolles Beispiel, Tally. Hör mal, das hier ist zu deinem Besten. Glaub mir, diese Komplikation willst du gar nicht.“
„Dann machen wir es doch einfach, Shay-la.“ Tally schob die Daumenspitze zwischen ihre Rasierklingenzähne und biss zu. Mit einem kurzen, stechenden Schmerz verteilte sich der Eisengeschmack des Blutes auf ihrer Zunge und ihre Gedanken wurden ein wenig klarer. „Sowie Zane ein Special ist, höre ich auf. Ich werde nie wieder etwas kompliziert machen.“ Sie streckte die Hand aus. „Das verspreche ich. Blut um Blut.“
Shay starrte den kleinen Blutstropfen an. „Das schwörst du?“
„Ja. Ich werde eine brave kleine Schlitzerin sein und alles tun, was du und Dr. Cable mir sagt. Gib mir nur Zane.“
Shay zögerte einen Moment, dann fuhr sie mit dem Daumen über ihr Messer und sah nachdenklich zu, wie das Blut herausquoll. „Ich wollte immer nur, dass wir auf derselben Seite sind, Tally.“
„Ich auch. Ich will nur eben Zane hier bei uns haben.“
„Alles, was dich glücklich macht.“ Shay lächelte und nahm Tallys Hand und presste ihre Daumen aufeinander ... hart. „Blut um Blut.“
Als der Schmerz sie durchjagte, spürte Tally, wie zum ersten Mal an diesem Tag ihr Denken eisig wurde. Sie konnte jetzt ihre Zukunft sehen, einen geraden Pfad ohne weitere Umkehrungen oder Verwirrungen. Sie hatte dagegen gekämpft, Ugly zu sein, und sie hatte dagegen gekämpft, Pretty zu sein, aber das war jetzt vorbei - von nun an wollte sie nur noch Special sein.
„Danke, Shay-la“, sagte Tally leise. „Dieses Versprechen werde ich halten.“
Shay ließ sie los und wischte das Messer mit einer schnellen Bewegung an ihrem Oberschenkel ab. „Dafür werde ich sorgen.“
Tally schluckte, dann lutschte sie an ihrem noch immer pochenden Daumen. „Also kann ich heute Nacht mit dir kommen, Boss? Bitte?“
„Ich nehme an, jetzt musst du“, sagte Shay und lächelte traurig. „Aber es kann sein, dass dir das, was du sehen wirst, nicht gefällt.“
New Pretty Town
Nachdem die anderen sich auf den Weg in die Wildnis gemacht hatten, löschten Shay und Tally das Feuer, sprangen auf ihre Bretter und flogen in Richtung Stadt.
New Pretty Town wurde von buntem Feuerwerk erhellt, genau wie in jeder anderen Nacht. An langen Leinen befestigte Heißluftballons schwebten über den Partytürmen und Gasfackeln beleuchteten die Vergnügungsparks wie leuchtende Schlangen, die an den Hängen der Insel hochkrochen. Die höchsten Gebäude warfen im schnellen Licht des Feuerwerks zuckende Schatten und veränderten bei jedem Ausbruch die Silhouette der Stadt.
Als sie sich New Pretty Town näherten, scholl ihnen vereinzelt das fröhliche Geschrei von betrunkenen Blubberköpfen entgegen. Für einen Moment kam sich Tally bei diesem Jubel vor wie eine neidische Ugly, die vom anderen Flussufer her zuschaut und sich nach ihrem sechzehnten Geburtstag sehnt. Das hier war ihr erster Ausflug nach New Pretty Town, seit sie bei den Specials war.
„Hast du je Sehnsucht nach unseren Pretty-Tagen, Shay-la?“, fragte sie. Sie hatten nur einige Monate zusammen im Blubberkopf-Paradies verbracht, bevor die
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