Special - Zeig dein wahres Gesicht
wimmelte es nur so von Flüchtlingen, zur Hälfte Uglies, zur Hälfte neue Pretties. Die meisten trugen die Gesichter, mit denen sie gekommen waren, sie fühlten sich wohl noch nicht bereits zum Sprung in die extremen Möglichkeiten kosmetischer Mode. Tally konnte verstehen, warum die Neulinge zusammenblieben; nach einem Tag in den Straßen von Diego war der Anblick altmodischer, vom Komitee entworfener Pretty-Gesichter eine Erleichterung.
Tally hoffte, dass Zane auch hier sein würde. So lange wie heute war er während der ganzen Flucht nicht außerhalb ihrer Sichtweite gewesen, und sie fragte sich, was sie im Krankenhaus wohl mit ihm gemacht hatten. Würde Zane nach der Entfernung der Läsionen weniger zittrig sein? Welches Aussehen würde er wählen, hier, wo alles erlaubt war, wo es gar nicht mehr möglich war, durchschnittlich zu sein?
Vielleicht würden sie mehr für ihn tun können als im Krankenhaus ihrer eigenen Stadt. Bei so viel Erfahrung mit verrückter Chirurgie mussten die Ärzte hier doch fast so gut sein wie Dr. Cable.
Vielleicht würde bei ihrem nächsten Kuss alles anders sein. Und selbst wenn Zane noch derselbe wäre, würde Tally ihm zeigen können, wie sehr sie sich verändert hatte. Ihre Reise durch die Wildnis und das, was sie hier in Diego gesehen hatte, hatten etwas bewirkt. Vielleicht würde sie ihm diesmal zeigen können, was wirklich in ihr steckte, so tief, dass keine Operation es erreichen konnte.
Tally durchschritt die Dunkelheit jenseits der Schwebeleuchten und lauschte den Neuankömmlingen. Die Musik war nicht laut - es ging hier mehr darum, einander kennenzulernen, als um Trinken und Tanzen - und sie hörte die verschiedenen Akzente und sogar andere Sprachen aus dem tiefen Süden. Alle Flüchtlinge erzählten davon, wie sie hergekommen waren - von ihren lustigen, mühsamen oder beängstigenden Reisen durch die Wildnis zu Treffpunkten auf dem ganzen Erdteil. Einige waren mit dem Hubbrett gekommen, andere zu Fuß, und manche behaupteten sogar, Rotoren-Hubwagen der Wächter gestohlen zu haben und in aller Gemütlichkeit über die Wildnis geflogen zu sein.
Die Party wuchs vor Tallys Augen, wie Diego selbst, immer neue Flüchtlinge kamen dazu. Bald entdeckte Tally Peris und einige andere Krims am Rand des Felsens. Aber Zane war nicht bei ihnen.
Sie wich tiefer in die Schatten zurück, ihre Augen suchten die Menge ab und sie fragte sich, wo er sein mochte. Vielleicht hätte sie in seiner Nähe bleiben sollen, in dieser seltsamen Stadt. Wahrscheinlich glaubte er sowieso, dass sie den Helikopter aus den Augen verloren hatte und noch immer in der Wildnis herumirrte. War vermutlich erleichtert, weil er sie los war ...
„He, ich bin John“, sagte hinter ihr eine Stimme.
Tally fuhr herum und fand sich einem dem Standard entsprechenden neuen Pretty gegenüber. Seine Augenbrauen hoben sich angesichts ihrer grausamen Schönheit und ihrer Tätowierungen, aber mehr Reaktion zeigte er nicht. Er hatte sich schon an die verrückten Opis hier in Diego gewöhnt.
„Tally“, sagte sie.
„Komischer Name.“
Tally runzelte die Stirn. Für sie klang „John“ reichlich daneben, aber sein Akzent kam ihr doch vertraut vor.
„Du bist doch ein Flüchtling, oder?“, fragte er. „Ich meine, dass ist doch eine neue Opi, die du da gerade ausprobierst?“
„Das hier?“ Tally fuhr sich mit den Fingern durch das Gesicht. Seit sie im Hauptquartier der Specials aufgewacht war, hatte sie die grausame Schönheit als etwas empfunden, das sie definierte, das sie zu dem machte, was sie war, und jetzt fragte dieser Durchschnittsknabe, ob sie sie ausprobierte, wie ein neue Frisur?
Aber es hätte keinen Zweck gehabt, sich hier zu verraten. „Ja, glaub schon. Gefällt es dir?“
Er zuckte mit den Schultern. „Meine Freunde meinen, es ist besser zu warten, bis man die Moden kennt. Damit man nicht aussieht wie ein Dorftrottel.“
Tally stieß langsam den Atem aus und versuchte sich zur Ruhe zu zwingen. „Du findest also, ich sehe aus wie ein Trottel?“
„Woher soll ich das wissen? Ich bin ja gerade erst hier angekommen.“ Er lachte. „Ich weiß noch nicht, wie ich aussehen will. Aber vermutlich etwas weniger, na ja, unheimlich.“
Unheimlich?, dachte Tally und ihr Zorn wuchs. Sie könnte diesem arroganten kleinen Pretty zeigen, was unheimlich war.
„Diese Narben würde ich an deiner Stelle nicht behalten“, fügte er hinzu. „Machen sich gar nicht gut.“
Tallys Hände schossen vor, um den
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