Special - Zeig dein wahres Gesicht
Ausgleich.
Endlich wich auch der Schmerz in Tallys Schultern dem Summen der Nanos, als sie ihre Reparaturarbeiten begannen und schmerzstillende Mittel verteilten. Solange Tally sich nicht zu sehr bewegte, würden die kleinen Maschinen die Qualen auf einen dumpfen Schmerz reduzieren.
In der Ferne hörte Tally, wie ein Teil ihrer Verfolger auf die Blätter einschlug, als könnte sie wie eine Vogelschar aufgescheucht werden. Aber die Smokey in ihrer Nähe suchte lautlos, sie lauschte und beobachtete. Tally sah, wie sich ihr Kopf langsam hin und her bewegte und die Bäume überprüfte. Ihre Silhouette zeigte eine Infrarotbrille.
Tally lächelte vor sich hin. Nachtsicht würde ihnen nicht mehr helfen, als auf den Busch zu klopfen. Aber dann erstarrte die Gestalt und blickte zu ihr herüber. Das Hubbrett kam zum Stillstand.
Mit einer kaum merklichen Kopfbewegung schaute Tally an sich hinunter. Was hatte die Smokey entdeckt?
Und dann sah sie es. Nach den vielen Tagen, die sie im Tarnanzug verbracht hatte, nach allen Anstrengungen und Strapazen, denen sie ihn ausgesetzt hatte … war dieser letzte Sprung vom Aussichtspunkt zu viel gewesen.
Die Naht an ihrer rechten Schulter war geplatzt. Sie glühte im Infrarotlicht fast weiß, die Hitze von Tallys Stoffwechsel quoll hervor wie Sonnenlicht.
Die Gestalt schwebte näher heran, langsam und vorsichtig.
„He“, rief sie nervös. „Ich glaube, ich hab hier etwas.“
„Was denn?“, antwortete jemand.
Tally erkannte diese Stimme. David, dachte sie, und ein kleiner Schauer durchlief sie. Sie war so nahe an ihm dran und konnte nicht einmal die Faust ballen.
Die Smokey hielt inne und starrte Tally noch immer an „Hier in dem Baum gibt’s eine heiße Stelle. So groß wie ein Baseball.“
Aus Davids Richtung war Lachen zu hören und jemand anders rief: „Bestimmt ein Eichhörnchen!“
„Viel zu heiß für ein Eichhörnchen. Falls es nicht in Flammen steht.“
Tally wartete, kniff die Augen zusammen und befahl ihrem Körper, herunterzufahren und nicht mehr so viel Energie zu erzeugen. Aber die Smokey hatte richtiggelegen: Tallys Herz hämmerte wie besessen und die Nanos waren mit dem Heilen ihrer Schulter beschäftigt - es war tatsächlich so, als stünde sie in Flammen.
Sie wollte ihre linke Hand heben, um den Riss im Anzug zu bedecken, aber ihre Muskeln gehorchten nicht mehr. Sie konnte nur stehen bleiben und versuchen, sich nicht zu bewegen.
Weitere glühende Figuren kamen auf sie zu.
„David!“, rief jemand ein Stück weiter weg. „Sie kommen!“
Er fluchte und riss mitten in der Luft sein Hubbrett herum. „Das wird sie gar nicht freuen. Los, machen wir, dass wir hier wegkommen.“
Das Mädchen, das Tally entdeckt hatte, ließ ein frustriertes Schnauben hören, dann drehte sie ihr Brett und jagte hinter David her. Die anderen Smokies schlossen sich den beiden an und huschten durch die Baumwipfel davon.
Wer kommt da?, überlegte Tally. Warum waren die Smokies einfach abgehauen? Vor wem in Diego mochten sie sich fürchten?
Dann drang das Geräusch von rennenden Füßen durch den Wald und Tally sah auf dem Boden helles Gelb aufleuchten. Diese Farbe hatte sie früher an diesem Tag an den Uni formen des Sicherheitspersonals von Diego gesehen - gelb mit dicken schwarzen Streifen, wie Winzlinge, die sich als Hum meln verkleiden.
Ihr fiel ein, wie Fausto gesagt hatte, dass die Behörden von Diego noch immer im Amt waren, und sie lächelte. Sie nahmen vielleicht hin, dass die Smokies sich in der Stadt aufhielten, aber Kidnappingversuche auf Partys waren wohl doch nicht ihr Geschmack.
Tally presste sich fester an den Baumstamm und spürte den Riss in ihrem Tarnanzug wie eine blutende Wunde. Wenn die Wächter Nachtsicht hatten, würden sie sie ebenso leicht finden wie die Smokies. Noch einmal versuchte Tally die Hand zu heben und den Riss zu verdecken ...
Ein erschreckend quälender Schmerz schickte eine Welle des Schwindels durch Tally und ließ sie verzweifelt aufkeuchen. Sie kniff die Augen zusammen und versuchte einen weiteren Schrei zu unterdrücken.
Plötzlich hatte die Welt Schlagseite. Tally öffnete die Augen und erkannte zu spät, dass ein Fuß von seinem Ast gerutscht war. Instinktiv suchten ihre Hände nach einem Halt, aber das brachte nur neue Qualen mit sich. Und dann kippte sie, verlor die Kontrolle und brach durch das Geäst. Ihr geschundener Körper wimmerte, während sie auf dem Weg nach unten scheinbar jeden einzelnen Ast traf.
Sie
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