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Special - Zeig dein wahres Gesicht

Special - Zeig dein wahres Gesicht

Titel: Special - Zeig dein wahres Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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unten. „Und das soll jetzt meine Schuld sein? Ich hatte mich einfach mit einem alten Freund unterhalten und plötzlich fingen all diese Zufallsirren an mit Pfeil und Bogen auf mich zu schießen. Was hätte ich denn tun sollen? Stehen bleiben und mich kidnappen lassen?“
    Die Stimme stockte. „Wir werden uns noch einmal die Videoaufnahme dieses Zwischenfalls ansehen. Wir geben jedoch zu, dass gewisse Einwandererelemente hier in Diego schwierig sein können. Wir bitten um Entschuldigung. So schlecht haben sie sich noch nie benommen. Sei versichert, dass bereits Vermittlungsgespräche geführt werden.“
    „Vermittlung? Das heißt, ihr redet mit denen über diese Sache? Warum sperrt ihr nicht lieber ein paar von denen ein? Schließlich bin ich hier das Opfer.“
    Wieder schien die Stimme zu zögern. „Das muss noch entschieden werden. Darf ich um deinen Namen, deine Herkunftsstadt und um genaue Auskunft darüber bitten, woher du diesen >alten Freund< kennst?“
    Tally betastete die Bettdecke zwischen ihren Fingern. Wie die Wandpolsterung war sie mit Mikrosensoren durchsetzt, mit gierigen kleinen Maschinen, die ihr Herztempo, ihren Schweiß und ihre galvanischen Hautreaktion maßen. Sie atmete einige Male tief durch, um ihren Zorn unter Kontrolle zu bringen. Wenn sie sich konzentrierte, würden die sie den ganzen Tag lang polygrafieren können, ohne auch nur den Funken einer Lüge zu entdecken.
    „Ich heiße Tally“, sagte sie vorsichtig. „Ich bin oben aus dem Norden weggelaufen. Ich hatte gehört, dass ihr hier nett zu Flüchtlingen seid.“
    „Einwanderer sind uns willkommen. Unter dem neuen System darf sich jeder um die Bürgerrechte von Diego bewerben.“
    „Das neue System? So nennt ihr das also?“ Tally verdrehte die Augen. „Na, dieses neue System taugt nicht viel, wenn ihr Leute einsperrt, bloß weil sie vor Psychos davonlaufen. Hab ich schon die Pfeile erwähnt?“
    „Sei versichert, dass du nicht wegen deiner Taten unter Beobachtung stehst, Tally. Uns geht es um gewisse Gestaltsvergehen.“
    Trotz ihrer Konzentration jagte ein nervöses Flackern über Tallys Rückgrat. „Um was?“
    „Tally, dein Körper ist um ein verstärktes keramisches Skelett herum konstruiert. Deine Fingernägel und Zähne wurden zu Waffen umfunktioniert, deine Muskeln und Reflexzentren erheblich vergrößert.“
    Mit Schrecken wurde Tally klar, was die Wächter getan hatten. Sie hatten sie für ernstlich verletzt gehalten und deshalb zu einer genaueren Untersuchung ins Krankenhaus gebracht. Und was die Ärzte dabei gefunden hatten, ließ die Behörden vermutlich ziemlich nervös werden.
    „Ich weiß nicht, wovon ihr hier redet“, sagte sie und versuchte unschuldig zu klingen.
    „Es gibt außerdem gewisse Strukturen in deiner oberen Hirnrinde, offenbar künstlich angelegt, die vermutlich dein Verhalten ändern sollen. Tally, leidest du unter plötzlichen Anfällen von Wut oder Euphorie, von antisozialen Impulsen oder Gefühlen der Überlegenheit?“
    Tally atmete noch einmal tief durch und kämpfte darum, Ruhe zu bewahren. „Worunter ich leide, ist hier eingesperrt zu sein“, sagte sie langsam und betont.
    „Warum hast du Narben auf den Armen, Tally? Hat jemand dich verletzt?“
    „Was, die hier?“ Sie lachte und ließ ihre Finger über die Narbenreihen gleiten. „Da, wo ich herkomme, ist das einfach eine Modesache.“
    „Tally, möglicherweise ist dir gar nicht klar, was deinem Denken angetan wurde. Dir mag es natürlich erscheinen, dich selbst zu verletzen.“
    „Aber das sind doch bloß ...“ Tally stöhnte und schüttelte den Kopf. „Bei den vielen verrückten Operationsergebnissen, die ich hier in der Stadt gesehen habe, macht ihr euch Sorgen wegen ein paar Narben?“
    „Wir machen uns nur Sorgen darüber, was sie über dein mentales Gleichgewicht aussagen.“
    „Erzählt mir nichts von mentalem Gleichgewicht“, knurrte Tally und beschloss, nicht mehr die Gelassene zu spielen. „Ich bin schließlich nicht diejenige, die andere Leute einsperrt.“
    „Verstehst du die politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen deiner Stadt und unserer, Tally?“
    „Politische Meinungsverschiedenheiten?“, fragte sie. „Was hat das mit mir zu tun?“
    „Deine Stadt besitzt eine lange Geschichte gefährlicher chirurgischer Methoden, Tally. Diese Geschichte und Diegos Flüchtlingspolitik waren schon häufiger die Ursache von diplomatischen Konflikten. Die Einführung des neuen Systems hat diese Probleme nur

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