SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit
Welt, ist als Markenguru bekannt und betreut bei der BCG vor allem die Bereiche Medien und Konsumgüter. 2006 stieg sie ins weltweite Leitungsgremium der Firma auf. Als sogenannter Senior Partner bestimmt sie seitdem die Arbeit der BCG, die weltweit circa 4500 Berater beschäftigt, wesentlich mit. Sie ist auf der ganzen Welt tätig und lebt überwiegend im Hotel oder in der Luft. Ihre Woche beginnt jeden Montag sehr früh am Morgen, fast noch in der Nacht. Da steigt sie erst ins Taxi, dann in den Flieger.
»Ich versuche natürlich, die Zeit bestmöglich auszunutzen«, sagt Mei-Pochtler. Diese Woche sei sie zum Beispiel jeden Tag in einer anderen Stadt. An einigen Tagen in zwei Städten. Und nächste Woche sei dann Executive Committee Meeting in den USA, Freitag zurück nach Wien, Samstag Florenz, Sonntag wieder Wien, und dann startet die nächste Woche.
»Es klingt alles so glamourös: Montag in London, Dienstag in Frankfurt und Mittwoch in Berlin und dann Donnerstag in Paris. Aber es ist eigentlich völlig unglamourös, weil man sich von einem Termin zum anderen bewegt und eigentlich überall in der Welt sein könnte. Von den Orten bekommt man nichts mit, auÃer vielleicht die Flughäfen.«
Sie ist also auch eine dieser Männer und Frauen in austauschbaren Businessuniformen, von denen es auf Flughafengates nur so wimmelt und die bis zur letzten Sekunde, bevor sie ins Flugzeug steigen, auf die Tastaturen ihrer BlackBerrys oder iPhones einhämmern, als ob es kein Morgen gäbe, oder unverhältnismäÃig laut etwas von Jahresabschlüssen und Quartalszahlen in ihre Handys bellen. Ich hatte schon immer den Verdacht, dass ein beträchtlicher Teil dieser auffällig unauffälligen Menschen Unternehmensberater sind.
Was mir Frau Mei-Pochtler von ihrem Leben aus dem Koffer erzählt, klingt nicht besonders verlockend für mich. Nach einigen Jahren exzessiver Reiserei als Filmemacher empfinde ich es inzwischen durchaus als Lebensqualität, auch mal eine Weile am Stück zu Hause sein zu können. Ob sie auch so eine Extremjobberin mit siebzig oder mehr Arbeitsstunden sei, von denen ich bei meinen Recherchen so viel gelesen habe, will ich von ihr wissen. Diese Frage, das sieht man ihr deutlich an, irritiert sie. Frau Mei-Pochtler scheint nicht auf Anhieb zu verstehen, worauf ich hinauswill. Klingt wahrscheinlich zu sehr nach Gewerkschaft.
»Ãh, ich habe meine Arbeitsstunden nie gezählt.«
»Aber mehr als 35?«, hake ich halb ernst nach.
Sie lacht. »Garantiert, aber ich rechne das nicht.« Es sei doch die Frage, wann die Arbeit anfange und wann sie aufhöre. »Bei Leuten, die konzeptionell arbeiten, und das ist ja bei den Beratern so wie bei Künstlern, ist es doch so: Wenn man nicht gerade schläft, und selbst dann hat man ja manchmal im Traum tolle Einfälle, ist man immer âºonâ¹. Also, man ist immer eingeschaltet. Bei mir läuft im Hintergrund immer irgendwie der Zentralprozessor, der an bestimmten Themen weiterarbeitet, und dann, plötzlich, fällt mir eine Lösung ein.« Es gäbe sicher Menschen, die lieber eine ganz klare Trennung zwischen Berufs- und Privatleben ziehen. Ihr mache diese Durchmischung nichts aus. Sie fände es nicht schlimm, sehr lange zu arbeiten. »Zwischendurch habe ich ja immer kleine Pausen der gemütlichen Reflexion«, sagt sie.
Kleine Pausen der gemütlichen Reflexion: Wie mögen die bei Antonella Mei-Pochtler wohl aussehen? Ein Powernap im Flieger vielleicht? Meditation im Hotelzimmer? Wie mag wohl das Privatleben eines Menschen aussehen, der eigentlich auf der Ãberholspur zu Hause ist? Gibt es überhaupt eins?
»Man kann die verschiedenen Themen, Privatleben und Berufliches nicht unter einen Hut bringen, wenn man die Sachen nicht wirklich sehr schnell erledigt und auch versucht, eine gewisse persönliche Effizienz zu entwickeln.«
Themen. Themen. Immer wieder Themen. Bei meiner Recherche ist mir aufgefallen, dass bei Unternehmensberatern und Bankern eigentlich alles ein »Thema« ist. Damit können die unterschiedlichsten Dinge gemeint sein. Wirtschaftswachstum, Geschwindigkeit, Aktienkurse, Arbeitslosigkeit, aber eben auch das Privatleben, die Familie, die Gesundheit oder die Kinder. Alles wird zu einem Thema, das abgearbeitet werden muss. So wie es sich in einer effizienten Welt gehört. Für Sentimentalitäten ist da wenig Platz. Ich
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