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SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

Titel: SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Opitz
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der Schnelle den Langsamen.« Meint die Direktorin der BCG das, wenn sie von Zeitwettbewerb spricht?
    Ja, sagt sie, dieser Spruch habe eine unglaubliche Kraft für sie. Auch weil die Beschleunigung und die erhöhten Anforderungen die Menschen in den Unternehmen und der Gesellschaft dazu zwinge, sich wirklich auf das Wesentliche zu konzentrieren. »Und wir Unternehmensberater versuchen ihnen dabei zu helfen, indem wir überlegen: Wie können die Menschen besser und effizienter arbeiten? Die Rolle des Beraters ist, ganz klar, die eines Beschleunigers, die des Optimierers; und von den Unternehmen werden wir auch sehr bewusst so eingesetzt«, erklärt die blonde Wienerin ihren Job. Die Unternehmen müssten innerhalb immer kürzerer Zeit Problemstellungen lösen und dabei zusätzlich auch noch sich selbst oder die Arbeitsprozesse umstrukturieren. Das ginge mit der externen Hilfe einer Beratungsfirma viel besser; denn die externen Berater müssen keine Rücksichten nehmen, können einfach eine kritische Beraterposition einnehmen und dem Unternehmen helfen, schneller die Antworten zu finden und sicherzustellen, dass diese Antworten dann auch schnell umgesetzt werden. »Daher beschleunigen wir eigentlich in einem doppelten Sinn: Wir treiben die inhaltliche Bewältigung eines Themas voran, helfen bei der Lösungsfindung, beschleunigen aber daneben auch ihre Umsetzung.«
    Es ist 9.35 Uhr. Mein Blick schweift kurz aus dem Fenster. Auf dem Weg ins Stadtzentrum fahren wir gerade an den alten und meist unrenovierten Häuserzeilen Berlin-Tegels vorbei. Hier wohnen vor allem die sogenannten einfachen Leute: Arbeiter, Angestellte, Hartz-IV-Empfänger und Migranten. Ich versuche mir vorzustellen, wie das, was Antonella Mei-Pochtler da gerade ebenso euphorisch wie abstrakt propagiert, eigentlich im richtigen Leben aussieht, wie sehr es das Leben dieser Leute betrifft. Oder auch meins und das meiner Familie.
    Was es bedeutet, wenn sie sagt, dass Unternehmensberater keine Rücksichten nehmen müssen. Immer wenn ich in den letzten Jahren etwas über die so diskrete Arbeit der Unternehmensberatungen gelesen habe, hatte es ja konkrete Konsequenzen für die Menschen, die bei den beratenen Unternehmen arbeiten: McKinsey empfiehlt den Abbau von x Stellen, Boston Consulting die Schließung von Standort Y. Natürlich nur zum Vorteil des beratenen Unternehmens. Hinter so wohlklingenden Begriffen wie »Effizienzsteigerung«, »Beschleunigung« oder, wie es im besten Beratersprech heißt, »Time-Compression Management«, »Resource Leverage« oder »Reengineering« verbirgt sich häufig ja nichts anderes als Automatisierung, Einsatz von Maschinen, Personalabbau, Standortverlagerung in Länder, in denen billiger produziert werden kann. Und der Druck auf die verbleibenden Mitarbeiter steigt nach diesen effizienzsteigernden Maßnahmen weiter. Wie geht man als Unternehmensberater mit diesen »Kollateralschäden« des Berufes und der Beschleunigung um, frage ich die sympathische Beraterin. Belaste sie das nicht manchmal auch ein bisschen?
    Â»Absolut. Dass Effizienzsteigerung und Beschleunigung leider oft mit dem Verlust von Arbeitsplätzen oder deren Verlagerung zu tun haben, kann man ja nicht leugnen. Und das ist sicherlich auch eine große Belastung für den Berater. Aber man macht Beschleunigungen, Kostensenkungen und Produktivitätssteigerungen ja normalerweise nicht nur, um Reduktionen durchzuführen und Geld zu verdienen. Man macht das, um dann die Möglichkeit zu haben, in anderen Bereichen zu wachsen. Das ist der Preis, den man zahlen muss, um wiederum in anderen Bereichen vorankommen zu können. Alles andere hieße Stillstand und Stagnation. Das überlebt kein Unternehmen.«
    Moment mal. Das hab ich so oder so ähnlich doch schon öfter gehört. Irgendwie ein Totschlagargument, dem man wenig entgegensetzen kann, da es sich so abstrakt dahergesagt weder be- noch widerlegen lässt.
    9.40 Uhr. Antonella Mei-Pochtler, das wird mir spätestens jetzt klar, ist eine Überzeugungstäterin. Sie glaubt an das, was sie sagt. Beschleunigung und Effizienzsteigerung ist ihr Mantra. Aber gilt ihre Beschleunigungspredigt eigentlich nur für die Wirtschaft?
    Das könne man ja oft nicht voneinander trennen. Wirtschaftliche Probleme seien ja auch soziale Probleme, antwortet sie mir. Und eine gesunde Gesellschaft sei nur dann möglich,

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