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SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

Titel: SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Opitz
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Wanken. Komisch, aber die viele Arbeit scheint den Batzlis nicht das Geringste auszumachen. Das gute Leben lässt sich also scheinbar nicht an der Menge der Freizeit und des Urlaubs festmachen. Was aber macht die Batzlis sonst so zufrieden und glücklich mit diesem anstrengenden Leben? Ist es, dass sie selbst über ihre Zeit bestimmen können? Macht vielleicht genau das das gute Leben aus: Herr zu sein über die eigene Zeit?
    Aber auch die Batzlis leben nicht auf einer einsamen Insel. Der Wettbewerbsdruck um immer niedrigere Preise ist längst auch bei ihnen angekommen.
    Zwei Stunden später, die Gewitterwand ist an uns vorbeigezogen, das Heu ist ein- und in Sicherheit gebracht, mäht der junge Fritz schon wieder den benachbarten, nicht minder steilen Hang. Ich bin überrascht, weil er das ganz allein tut und keine Hilfe hat. Ohne seinen Hightech-Mäher ginge das natürlich nicht, sagt er. Mit dem könne er das Drei- bis Vierfache von früher mähen. Früher, als er noch ein Jugendlicher war, habe man solch eine Maschine nicht gebraucht. Da sei es auch mit Sense oder einem kleinen Mäher gegangen.
    Es ist wirklich ein ganz schön modernes Geschoss, das Fritz da fast senkrecht den Hang hinaufführt. Zwischen den beiden Griffen, mit denen er den Mäher vor sich her schiebt, blinken ein Dutzend verschiedene Digitalanzeigen und Knöpfe. Das Ding sieht eher aus wie ein modernes Kleinflugzeug als wie ein Heumäher. Fritz teilt sich die Maschine mit drei anderen Bauern aus der Nachbarschaft. Das sei schon auch ein Problem, sagt er. Immer weniger Bauern müssten immer größere Flächen bewirtschaften. Und das ginge nur mit immer größeren Maschinen.
    Â»Früher, da hatte mein Vater so einen kleinen Mäher, eine viel kleinere Fläche und natürlich auch weniger Tiere. In den achtziger Jahren haben wir den Mist noch mit dem Pferd ausgebracht. Heute fährt man mit dem riesigen Traktor hoch, die Gülle wird rausgespritzt und fertig. Aber damals hat es trotzdem immer irgendwie gereicht. Doch da hat man für den Liter Milch auch noch einen Franken bekommen.«
    Und heute? »Um die fünfzig Rappen, knapp die Hälfte. Tendenz sinkend«, antwortet Fritz. Alles andere würde aber ständig teurer, sagt er und rechnet es mir vor: »Früher konnten wir mit dem Erlös eines Liters Milch ein Brot oder ein Bier kaufen. Heute kostet das Brot vier Franken fünfzig und das Bier vier Franken.«
    Man müsse deshalb wachsen, mehr Maschinen kaufen und einsetzen, um zu überleben. Die Maschinen wollten aber auch wieder bezahlt sein. Der finanzielle Druck und damit auch der Zeitdruck auf die Bauern steige also. Trotz zeitsparender Maschinen. Ein Teufelskreis.
    Â»Wachse oder weiche, das ist das Prinzip. Aber in den Bergen können wir nicht immer größer werden. Wollen wir auch nicht. Wir können die ganze Arbeit dann gar nicht mehr bewältigen. Wir haben ja noch viel Handarbeit. Irgendwann ist Schluss, wir können nicht mehr, als den ganzen Tag zu arbeiten. Aber so geht es ja nicht nur den Bauern. Wir alle sind aber auch ein bisschen selbst schuld daran. Wir wollen ständig mehr, und das immer billiger.«
    Als Fritz fertig ist und den Mäher wieder zum Nachbarhof bringt, setze ich mich zu Erika an den Tisch ihres Gartens. Sie verpackt gerade Ziegenkäse und klebt ein Etikett drauf. Die Kinder spielen auf dem Rasen. Die Batzlis vermarkten ein Teil ihres Käses selbst, in den Läden im Ort und im Nachbardorf. Das bringt mehr ein, als Milch oder Käse an Großmolkereien zu verkaufen. Ob sie manchmal Angst vor der Zukunft habe, frage ich Erika.
    Â»Nein, Angst macht krank, davon bin ich überzeugt; und Angst hab ich nicht, wirklich nicht. Ich denk auch nicht so weit nach vorn. Ich nehm es, wie es kommt. Jeden Tag aufs Neue. Und ich sag immer: Irgendwann sind wir noch froh, wenn wir Essen haben. Computerkabel kannst du lange fressen, davon wirst du nicht satt, oder?«
    Besser kann man es nicht sagen. Ich bin begeistert. Auch wenn sie mich, den gestressten Städter, nicht so ernst zu nehmen scheint, liebe ich diese Frau für ihren Kampfgeist.
    Am späten Nachmittag fahren Fritz und ich nochmal hoch auf die Alp zu seinen Eltern. Als wir ankommen, ist der Senior wieder beim Melken. Er strahlt über beide Ohren, als er uns sieht. Doch sein Gesicht verfinstert sich im nächsten Moment, als Fritz ihm von der

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