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SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

Titel: SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Opitz
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beschränkte Hinterwäldler halten oder, ganz im Gegenteil, für intelligent, rebellisch und progressiv, weil sie ihrem Gefühl folgen und konsequent das machen, was sie für richtig und lebenswert halten? Mein bisher scheinbar gefestigtes Weltbild davon, was konservativ und rückwärtsgewandt ist und was progressiv und seiner Zeit voraus, wird hier auf eine harte Probe gestellt und gerät mächtig ins Wanken. Ich bin verwirrt.
    Den Rest des Tages beobachte ich das Treiben der Familie. Ich komme mir vor wie in der Serie »Unsere kleine Farm« oder in ei nem von Antons Wimmelbüchern, in denen man in riesigen Sze nen mit zahlreichen Menschen immer wieder etwas Neues entdecken kann. So wuselig geht es hier zu. Die Kinder melken die Ziegen. Der Großvater schüttet in der Küche der Alphütte Milch in einen großen Kupferkessel, der über einer offenen Feuerstelle hängt, um daraus Käse zu machen. Fritz junior mistet den Stall aus. Und dann putzen alle zusammen die großen Kuhglocken und hängen sie über die Veranda. Die größte nach rechts, daneben die nächstkleinere und so weiter. Siebzehn Stück. Bis alle Glocken wie an einer Perlenkette aufgereiht über der Veranda hängen und mich an ein Glockenspiel erinnern. Damit ist der sommerliche Einzug in die Alphütte abgeschlossen.
    Doch nur Fritz senior und seine Frau Marianne verbringen den ganzen Sommer auf der Alp. Der Junior und seine Familie fahren am Abend wieder ins Tal. Es ist eine klare Arbeitsteilung. Während die Großeltern auf der Alphütte die Kühe versorgen, melken und Käse machen, bringen Fritz und Erika den Sommer über unten das Heu für den Winter ein. Der junge Fritz ist so etwas wie der Springer, er pendelt zwischen oben und unten, arbeitet da, wo er gerade gebraucht wird, versorgt seine Eltern mit dem Nötigsten und hilft ihnen immer wieder beim Melken. Klingt ziemlich anstrengend. Da muss der Alltag sicher minutengenau durchgetaktet sein, denke ich. Dabei fällt mir auf, dass Fritz gar keine Uhr am Arm trägt. Warum?
    Â»Seit ich aus der Schule raus bin«, sagt er, »habe ich nie mehr eine Uhr getragen. Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber immer wenn ich eine neue Uhr bekommen habe, ging die zwei, drei Tage lang, und dann war sie kaputt. Ich weiß nicht, wieso. Deswegen trage ich jetzt keine mehr. Aber das ist kein Problem. Man hört hier ja auch die Kirchenglocke läuten. Und man hat das auch ein bisschen im Gefühl, wenn man immer draußen ist und schaut, wo die Sonne steht. Auf eine halbe Stunde genau kann man die Uhrzeit da schon schätzen.«
    Ein Leben ohne Uhr. Tatsächlich. Ein Leben ohne mechanische oder elektronische Taktgeber. Nur im Rhythmus der Natur? Klingt verlockend. Fast zu schön, um wahr zu sein. Ich sitze auf der Veranda vor der Alphütte und komme, während ich den Batzlis so zuschaue, ganz schön ins Grübeln. Wäre das hier nicht eigentlich das richtige Leben für mich? Weit weg vom Stress und Überangebot der Großstadt, vom Takt der Computer und Maschinen? Andererseits: Auf Dauer kann es hier auf dem Land sicher auch ganz schön eintönig sein. Was gibt es hier schon für Möglichkeiten? Kino, Konzerte, Ausstellungen, wenn man mal ausgehen will? Fehlanzeige. Hier oben gibt’s ja noch nicht mal Handyempfang, geschweige denn Internet. Und überhaupt. Was sollte ich hier beruflich machen? Dennoch: So ganz lässt mich diese Idee nicht mehr los.
    Egal, im Moment genieße ich es einfach, hier zu sein. Dem alten Fritz beim Käsen zuzuschauen hat etwas Meditatives. Zum ersten Mal auf meiner Reise spüre ich so etwas wie innere Ruhe. Muss an der Bergluft liegen. Vor meinem inneren Auge sehe ich mich schon selbst käsen.
    Mit dem Käsen sei das so eine Sache, erzählt mir Fritz senior, während er im riesigen Kupferkessel auf dem Feuer die Milch umrührt. Der brauche vor allem seine Zeit. Für jeden einzelnen Schritt in der Herstellung gebe es die richtige Zeit. Erst muss er langsam hergestellt, dann monatelang jeden Tag gewendet werden und dann lange, lange reifen, sagt er und wird dabei von einem gleißenden Sonnenstrahl beleuchtet, der durch die alten und jetzt beschlagenen Fenster in die dunkle Küche fällt.
    Ich sitze schon eine ganze Weile auf einem Küchenstuhl und schaue ihm gedankenverloren und schweigend zu. Mit einem Tuch trennen er und Marianne die

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