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SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

Titel: SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Opitz
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Betelnusskauen rot gewordenen Zähne. »Uns geht es schon gut«, antwortet der. »Natürlich haben wir noch Probleme. Vor allem das Klima und das Wetter sind in den letzten zehn Jahren unberechenbar geworden. Im Sommer trocknet die Sonne unsere Felder aus, in der Regenzeit fällt zu viel Regen. Man kann auch nicht mehr eindeutig sagen, wann die Regenzeit anfängt und wann sie aufhört. Das hat sich verändert. Aber im Vergleich zu früher haben wir weniger Probleme. Wir können jetzt sogar ins Krankenhaus, wenn uns was fehlt, und es gibt auch eine medizinische Versorgung für die Tiere.«
    Als wir wieder im Auto sitzen, rückt Kinley die Ausführungen seines Cousins ins rechte Licht. Von den Lebensumständen seines Cousins könnten viele Bhutaner in entlegeneren Gebieten nur träumen. Bhutan sei ja trotz Bruttonationalglücks immer noch ein sehr armes Land mit einigen Problemen. Viele Dörfer seien zum Beispiel nur schwer und auf unbefestigten Wegen zu erreichen. Sie hätten weder Strom noch eine Wasserversorgung. Die nächsten Schulen und Krankenstationen seien oft mehrere Stunden entfernt. Und manche Bürger fühlten sich durch die Politik der Regierung auch bevormundet. Sie wollten selbst entscheiden, was gut für sie ist. Sie wollten sich nicht vorschreiben lassen, die Kultur zu bewahren oder wann sie den Gho zu tragen haben. Doch die meisten Leute in Bhutan befürworteten das Bruttonationalglück und hätten schon das Gefühl, dass es langsam, aber stetig vorangehe, dass die Regierung bemüht sei, das Leben zu verbessern.
    Wenig später sind wir auf dem Rückweg in die Hauptstadt Thimphu. Das Autoradio dröhnt. Kinley und ich unterhalten uns über Fußball, da melden sich die inzwischen vertrauten Stimmen von Johnny Bravo und Supe wieder. Es geht erneut oder immer noch um das Bruttonationalglück. Alle zwei Jahre, berichtet Johnny Bravo, träfen sich inzwischen Wissenschaftler aus aller Herren Länder zu internationalen Konferenzen, um über das Bruttonationalglück zu diskutieren. Viele von denen verträten die Meinung, das ehemals rückständige Bhutan sei in Wahrheit inzwischen seiner Zeit voraus. Die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes mit einer ganzheitlichen Philosophie zu verbinden sei revolutionär und eine ernsthafte Alternative zum Wachstums- und Beschleunigungswahn der Industriestaaten.
    Wieder ruft ein Hörer an und fragt die Moderatoren, ob Bhutan damit nicht auch eine ziemlich hohe Verantwortung trage.
    Johnny Bravo gibt ihm recht: »Ich hab den Eindruck, dass Bhutan oder das Bruttonationalglück die letzte Hoffnung für viele Länder ist, vor allem für die reichen. Die haben doch alles schon versucht. Wachstum, Entwicklung, technischen Fortschritt … ja, sie sind sogar auf dem Mond gewesen. Aber sie sind nicht glücklich!«
    Wir sind in Thimphu angekommen, der Hauptstadt Bhutans. 2600 Meter hoch, 70 000 Einwohner, keine Ampel. Thimphu sei die am schnellsten wachsende Hauptstadt der Welt, behaupten sie hier. Allem Bruttonationalglück und aller Entschleunigung zum Trotz: Man merkt an diesem Ort, dass Bhutan jeden Tag ein Stückchen moderner wird – und damit auch normaler. In Thimphu gibt es inzwischen 20 000 Autos, die die wenigen Straßen verstopfen. Die Moderne mag hier zwar spät angekommen sein, dafür aber mit aller Macht!
    Es ist Abend geworden, ich schlendere die Hauptstraße Thimphus entlang, vorbei an Läden, die Fernsehgeräte, DVD-Player, Kühlschränke und Handys verkaufen. Oder Jeans, Turnschuhe und Highheels. Es fällt mir gleich auf, dass hier zumindest nach der Arbeit tatsächlich viele junge Leute anscheinend lieber Jeans und Turnschuhe tragen statt Gho und Kira. Neben dem Internetcafé »Digital Shangri La« zeigt das Kino von Thimphu Produktionen aus Bollywood. Mit dem Fortschritt haben sich auch die Lebensgewohnheiten und die Wünsche vieler Menschen in Bhutan geändert. Auch davon hatte mir Dasho Karma Ura, der Intellektuelle und Glücksforscher, gestern erzählt. Ein bisschen Wehmut lag da in seiner Stimme. Als fürchte er um das Besondere der Kultur und des Lebensstils der Bhutaner. Immer mehr von denen zieht es nämlich in die Stadt, weil sie hier mehr verdienen können. Jeder Dritte hat inzwischen ein Handy, selbst buddhistische Mönche wollen nicht mehr ohne sein. Kann das Konzept des Drachenkönigs in einem

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