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SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

Titel: SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Opitz
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kennenlernen. Denn sie sind kleine Berühmtheiten hier.
    Radio Valley besteht aus einer kleinen umfunktionierten Wohnung am Stadtrand von Thimphu. Drei kleine Räume. Regieraum, Studio und ein dritter Raum. Der scheint eine Mischung aus Redaktion, Aufenthaltsraum für Moderatoren und Techniker sowie Treffpunkt für Freunde und Mitarbeiter zu sein. An der Wand des Studios die Drachenflagge Bhutans, im Aufenthaltsraum ein Bild des jungen Königs und eins von Bob Marley. Mit einem dicken Joint im Mund. Als ich reinkomme, moderieren Johnny Bravo und Supe gerade den letzten Teil der Sendereihe über das Bruttonationalglück. Kurz darauf ist Werbepause.
    Die Moderatoren kommen aus dem Studio. Ich stelle mich vor. Johnny Bravo ist großgewachsen, sieht sehr sympathisch aus, und sein breites Lächeln betont seine ohnehin schon massiven Wangenknochen: »Hallo, ich bin Johnny Bravo, aber eigentlich heiße ich Tenzin Jamtsho.« Sein Counterpart, Supe, ist klein, muskulös, hat einen Ziegenbart und trägt im Gegensatz zu Johnny Bravo, der einen karierten Gho anhat, Jeans und Turnschuhe und ist auch sonst bemüht, locker rüberzukommen. »Hi, ich bin Supe«, sagt er in einem leicht antrainiert wirkenden amerikanischem Akzent, »mein richtiger Name ist Kunga Dorji.«
    Sie seien, so erklären sie beide, nur Teilzeitmoderatoren. Johnny Bravo ist eigentlich Ingenieur, und Supe schlägt sich als Journalist, Autor und Musiker in einer Rockband durch. Beide moderieren nur zum Spaß bei Radio Valley. Sie sind Mitte dreißig und fast so etwas wie Stars in Thimphu. »Johnny gilt als der Bhutaner mit der sexysten Stimme«, sagt Supe lachend.
    Was sie selbst vom Bruttonationalglück halten, will ich von ihnen wissen.
    Es sei eben eine sehr spezielle und sehr bhutanische Philosophie, sagt Bravo, der gutaussehende Radiomoderator. »Und wenn man sich so umschaut, wenn man durch die Straßen geht, würde ich schon sagen, dass man es irgendwie in den Gesichtern der Leute hier sehen kann, dass sie zufrieden sind. Wäre doch toll, wenn wir das mit dem Rest der Welt teilen könnten.«
    Andererseits müsse man auch aufpassen, wirft sein Kollege Supe ein, dass man das Bruttonationalglück nicht überbewerte. Es würde inzwischen zu viel darüber geredet und zu wenig getan und darüber nachgedacht, was es eigentlich bedeutet und wie man es weiterentwickeln könnte. Dabei würde der kleinste Akt ja schon dazu beitragen. Seinen Nachbarn zu helfen, sich gesellschaftlich zu engagieren zum Beispiel.
    Dann müssen die beiden wieder ins Studio, die Werbepause ist vorbei, die Sendung geht weiter. Ich schaue ihnen vom Regieraum durch die Scheibe zu. Supe, Kopfhörer auf dem Kopf, beugt sich vor zum Mikrofon, zählt rückwärts von fünf bis null und spricht dann zu seinen Zuhörern in Thimphu und anderswo in Bhutan.
    Â»Wir versuchen zu begreifen, was Bruttonationalglück ist und wie es funktioniert. Aber wie gehen wir mit den Alltagsproblemen unseres Landes um? Ein großer Teil der Bevölkerung ist noch ziemlich jung und arbeitslos! Wie gehen wir mit der Landflucht der Bauern um? Wie passt das zum Bruttonationalglück? Wie kann man glücklich sein, wenn man pleite ist? Wenn du keinen Job hast und kein Geld? Auch diese Fragen muss das Bruttonationalglück beantworten.«
    Ich lehne mich zurück, höre zu und denke über das nach, was ich in den letzten Tagen über Bhutan, das Bruttonationalglück und die Zeit erfahren habe. Auch wenn hier allen bewusst ist, dass noch nicht alles perfekt läuft. Ich finde es fantastisch, dass dieses kleine Land und seine Bürger trotz allem versuchen, einen anderen Weg zu gehen. Denn allein der Versuch ist schon mehr, als der Rest der Welt zu bieten hat. Vielleicht sollten wir uns das auch endlich mal trauen.
    Die Sendung geht zu Ende. Johnny Bravo ergreift das Wort: »Nicht alles ist perfekt hier. Bhutan ist nicht perfekt, die Welt ist nicht perfekt. Unsere Politiker sind nicht perfekt. Wir sind nicht perfekt – beileibe nicht! Aber was ist Glück? Irgendwie doch etwas Perfektes. Und es liegt an uns, es auf eine sinnvolle Weise zu suchen. Dabei wünsche ich unserer Regierung und den Wissenschaftlern viel Glück. Und viel Glück auch dem Rest der Welt dabei, sich einen eigenen Reim auf das Bruttonationalglück zu machen. Und mir selbst viel Glück. Jeder hat das Recht, danach zu suchen.

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