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SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

Titel: SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Opitz
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dass eine derart umfassende, mit so ziemlich allen scheinbar unumstößlichen Prinzipien des Kapitalismus brechende Idee erst einmal, fast reflexhaft, heftige Kritik hervorruft: Träumerei! Nicht finanzierbar! So lauten die ökonomischen Zweifel. Wenn ein bedingungslose Grundeinkommen zum Teil durch eine Konsumsteuer finanziert würde, würde alles zu teuer und der Konsum und das Wirtschaftswachstum gebremst. Ungerecht sei ein bedingungsloses Grundeinkommen obendrein, weil alle gleich viel bekämen – unabhängig von der Bedürftigkeit.
    Doch das am häufigsten vorgebrachte Argument der Kritiker ist ein anderes, ein sozialpsychologisches. Und eines, das kein gutes Licht auf das Menschenbild jener Gegner des Grundeinkommens wirft: Völlig unrealistisch sei ein bedingungsloses Grundeinkommen, weil keine Gegenleistung verlangt würde. Ohne Zwang, allerdings, ginge doch niemand mehr arbeiten. Alle würden sich nur noch in der sozialen Hängematte ausruhen. Darauf angesprochen, ob sie sich denn selbst auch so verhalten würden, antworten die meisten Kritiker allerdings mit Nein. Sie selbst würden natürlich weiter arbeiten, wenn sie ein Grundeinkommen bekämen. Ist doch klar.
    Was das alles mit der Beschleunigung zu tun hat? »Der Hauptantriebsfaktor des Beschleunigungsprozesses ist die Angst, abgehängt zu werden. Die Angst, nicht mehr mitzukommen«, lautet die zentrale Diagnose nicht nur in Hartmut Rosas Analyse des Beschleunigungssystems. Die am meisten verachtete Gruppe in dieser Gesellschaft seien inzwischen die ökonomisch Abgehängten. Menschen, die Hartz IV beziehen, zum Beispiel. Die müssten, so Rosa, mit der Missachtung ihrer Umwelt leben.
    Â»Und das erzeugt Angst. Niemand will zu diesen Missachteten gehören, die unter Dauerdruck gestellt werden und denen geradezu gesagt wird: ›Ihr seid, sozusagen, parasitäre Erscheinungsformen.‹«
    Wenn also die Wettbewerbslogik ein wesentlicher Antriebsfaktor des Beschleunigungsspiels ist, dann wäre die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ein geeigneter Hebel, dieses Beschleunigungssystem zu verändern. Denn das bedingungslose Grundeinkommen setzt am Wettbewerbsprinzip in der Gesellschaft an. Es würde die Wettbewerbslogik und die Angst, abgehängt zu werden, deutlich reduzieren. Es würde viele Menschen von dem Druck befreien, allein zur Sicherung der eigenen Existenz in einen täglichen Konkurrenz- und Überlebenskampf treten zu müssen. Und das wäre eine gravierende Verbesserung im Vergleich mit dem jetzigen Zustand und würde ein wichtiges Signal setzen: Es ist okay, man kann leben, man darf sein, ohne permanent im Hamsterrad mitrennen und seine Wettbewerbsfähigkeit unter Beweis stellen zu müssen. So könnte die Wachstums- und Beschleunigungslogik wieder auf ein human verträgliches Maß reduziert werden.
    Damit würde dem Wettbewerb allerdings nicht per se eine Absage erteilt, wie so viele Neoliberale in vorauseilendem Gehorsam befürchten. »Nein. Ein Grundeinkommen würde bedeuten, dass es in vielen Bereichen weiter Wettbewerb gibt«, erklärt Hartmut Rosa die Vorzüge dieser Alternative. »Um die besten Jobs, die tollsten Autos und Privilegien, um Positionen und Freunde und Anerkennung. Aber zumindest um deine ökonomische Existenz, um dein Existenzrecht, um dein Daseinsrecht, brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Das ist gesichert, unabhängig von deiner Wettbewerbsfähigkeit.«
    Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens trägt zudem auch der ökonomischen Realität Rechnung, dass es in einer Gesellschaft des Überflusses und der gesättigten Märkte, in der immer mehr Güter von Maschinen und immer weniger von Menschen produziert werden, ohnehin nie mehr genug bezahlte Arbeitsplätze für alle geben wird. Im Gegenteil: Die globale Konkurrenz um die immer weniger werdenden Arbeitsplätze wird täglich unerbittlicher. Wenn die Erwerbsarbeit aber weiter die einzige Quelle für ein regelmäßiges Einkommen sein soll, heißt das auch, dass immer mehr Menschen kein Einkommen haben werden und irgendwie anders finanziert werden müssen. In Deutschland ist das schon bei fast zwei Dritteln der Bevölkerung der Fall. Sie leben von dem Einkommen anderer oder von Sozialleistungen. Durch die Veränderung der Bevölkerungsstruktur, den sogenannten demografischen Wandel und weitere

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