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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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bin, verdammt noch mal, nicht nur der, der mit Stermann zusammenarbeitet. Ich habe meinen eigenen Kopf. Meine Wurstinstallationen beweisen das. Meine Ausstellung »Wurstgesichter des 21. Jahrhunderts« zum Beispiel war sehr gelungen, auch wenn außer Stermann, meinen Eltern und einem betrunkenen Schülerzeitungsredakteur niemand davon Notiz nahm. Christian Clerici aus Krakauer geformt, Arabella Kiesbauer aus Blutwurst, Britney Spears aus Mortadella und Michael Moore aus Saumagen, ist das vielleicht nichts?
    Liebes Tagebuch, Grissemanns Bestrebungen, alleine, ohne mich, Erfolg haben zu wollen, werden immer absurder. Er ist einfach kein interessanter bildender Künstler, da kann er so viel Wurst verwenden, wie er will. Einen Teller mit saurer Wurst in eine Vitrine zu stellen und dem Werk dann den Titel zu geben: »Saures Wurstgesicht in Essig ertrunken«, damit lockt er niemanden hinterm Ofen hervor. Oder die lebensgroße Nachbildung von André Rieux aus Presswurst – die Nachfrage auf dem Kunstmarkt hält sich bei solchen Arbeiten, vorsichtig formuliert, in engen Grenzen. Richard Clayderman mit Frankfurtern als Fingern an einem Klavier sitzend mit dem Werktitel »Wurstfinger spielen Moll«: Nein, er muss endlich akzeptieren, dass er nur mit mir zusammen reüssieren kann. Er braucht mich wie ein Stück Brot die Wurst.
    27.8.
    Liebes Tagebuch, wie heißt der Spruch? »Lieber Gott, beschütze mich vor meinen Freunden, um meine Feinde kümmere ich mich selbst!« Stermann, das Schwein, dieser grunzende, Fleisch gewordene Scheißhaufen, macht im Sender hinter meinem Rücken Stimmung gegen mich, wie mir der liebenswerte Kollege Andreas Gstettner erzählt hat, als ich vor ihm über Stermann hergezogen bin. Ich bin aus allen Wolken gefallen. Ist das zu fassen? Wie kann ein Mensch so unkollegial sein? So illoyal? Eine fast 60jährige Freundschaft so torpedieren? Schon gestern, als ich mich zusammen mit Joe Ramick und Martina Bauer über Stermann lustig gemacht habe, über sein Aussehen, seine Kleidung und sein minderes Talent, hat Ramick so etwas angedeutet, dass Stermann mich auch nicht nur in den höchsten Tönen lobt. »Ja, wieso denn nicht?«, hab ich geantwortet. Jetzt ist der dämliche Rheinländer jedenfalls für mich gestorben. Endgültig. Hat er doch in der Kantine offenbar vor allen Kollegen erzählt, dass ich mir nicht selbst die Schuhe binden kann. Dieses Dreckschwein. Wie steh ich denn jetzt da, liebes Tagebuch?
    Liebes Tagebuch, gut. Er wollte Krieg – den kann er haben. Ich bind ihm nie mehr die Schuhbänder. Stolpert er eben jetzt bei jedem zweiten Schritt und fällt der Länge nach hin. Kann er haben. Ich habe ihn fast 70 Jahre lang gedeckt, ihm heimlich die Schuhe gebunden, wenn sie aufgegangen waren. Ihm geduldig immer und immer wieder gezeigt, wie es geht. Aber er hat da irgend einen Defekt. Er schafft es einfach nicht. Er kann sich ja auch bis heute nicht selbst die Fingernägel schneiden. Er kann sich nicht selbst die Nase putzen. Wenn er so weiter macht, werde ich auch das noch öffentlich machen. Mal sehen, was News mir zahlt für eine Geschichte über Grissemanns zahlreiche Unzulänglichkeiten. Er ist Tag-Nacht-Verwechsler, kann nicht ohne Hilfe fernschauen und kennt nicht den Unterschied zwischen Fischen und Vögeln. So sieht's aus. Und der Mann will eine Ikone der österreichischen Jugend sein? Ich muss ihm beim Zähneputzen die Bürste halten und ihm den Kopf dabei hin und her drehen. Ich muss ihm die Haare waschen, während er sich weinend mit beiden Händen einen Waschlappen vor die Augen presst, aus Angst, dass ihm Wasser in die Augen kommt. Nein, Tagebuch, ich spiel da nicht mehr mit. Alles soll ans Licht. Alles.
    28.8.
    Liebes Tagebuch, Stermann hat hohes Fieber, weil sich die Wunde an seinem dicken Zeh entzündet hat. Er hat wohl Tollwut; die Ärzte haben ihm verboten, in lebende Tiere zu beißen, um eine Epidemie zu verhindern. Das tut mir leid für ihn, weiß ich doch, wie gerne er in noch lebende Schweine, Rinder und Kühe beißt. Das ist jetzt fürs Erste vorbei für ihn, vielleicht für immer. Es kann gut sein, dass er eingeschläfert werden muss. Und das alles nur wegen der illegalen Fallen, die Chefcontroller Blumenau rings um seinen Schweinestall ausgelegt hat. Seit zehn Tagen hat er diesen Schweinestall mitten in der Redaktion, sechs Säue und zwei Ferkelchen. Süße Dinger. Er hat das getan, um uns den Schweinestall vor Augen zu führen, den wir nach Dienstschluss hinterlassen,

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