Speichelfaeden in der Buttermilch
Sie bitte an mein Leiden, wenn Sie eines FM4- Plakates ansichtig werden. Danke.
4.9.
Oliver Baier hat kürzlich auf FM4 – als Claudia-Unterweger-Vertretung – eine Stunde moderiert. Sehr zum Vergnügen der Hörer, wie die Einträge ins Gästebuch verrieten. Wir sollten öfter Gäste moderieren lassen, das schaffe Abwechslung. Herbert Prikopa statt Gerald Votava in »Projekt X«, Robert Kratky statt Edlinger im »Sumpf«, mein Vater statt mir selbst im »Salon Helga« – und Gerda Rogers, diese entsetzliche Astro-Tante, als neue Luna Luce! Warum nicht? Mölzer statt Nachtstrom im »House of Pain«, Nenning statt Pulsinger in »La Boum«, und aus »Chez Hermes« machen wir kurzerhand ein »Chez Hermann«. Da kann sich dann der Maier Hermann ins Nachtstudio setzen. Das kickt doch! Endlich neuer, frischer Wind!
Grissemann hat tatsächlich eine Liste erstellt, mit möglichen neuen Gastmoderatoren. Die Liste liegt jetzt bei Senderchefin Eigensperger. Grissemann macht sich damit keine Freunde bei FM4 . Schließlich sind die meisten hier froh, endlich einen Stammplatz bei FM4 zu haben. Ihnen graust bei dem Gedanken, von irgendwelchen schmierigen österreichischen Halbprominenten ersetzt zu werden. Komische Atmosphäre hier bei FM4 , liebes Tagebuch: In den Gängen lauern verzichtbare Gestalten herum, die früher noch FM4 gemieden hätten, wie der Teufel das Weihwasser. Alfons Haider, Alexander Goebel, der Schlagersänger Heintje, der Koch vom Marchfelderhof, Birgit Sarata, der Lugner sowieso, Manuel Noriega oder Ortega, und, und, und sie wollen FM4 übernehmen!
Tu was, Tagebuch!
5.9.
Ein österreiches Hochglanzmagazin hat geschrieben, FM4 sei ein sektenähnlich geführtes Medienunternehmen. Das ist doch wohl die Höhe, Tagebuch! Wir haben sofort unsern Feuerlauf über glühende Kohlen unterbrechen müssen, als wir das erfahren haben, und unser Guru Blumenau hat uns zur Besprechung ins Krisensitzungszimmer befohlen. Fast alle waren da; nur die Neuen von der »Workstation« nicht. Laut Anweisung von Sektenchefin Eigensperger darf man die erste Gehirnwäsche nicht einfach so unterbrechen. Blumenau meinte, um nicht noch sektenverdächtiger zu werden, sollten wir die geplanten, neuen Arbeitsuniformen – weiße Leintücher und gelbe Kapuzen – erst nächstes Jahr tragen.
Ein von uns allen einhellig gemurmeltes »Jawoll, Meister« beschloss die Sitzung.
Also ganz so ungerechtfertigt ist der Sekten-Vorwurf gar nicht, liebes Tagebuch, wenn man daran denkt, wie schwer es ist, von FM4 wieder wegzukommen. Alles Geld wird uns abgenommen, und Meister Blumenau hat uns alle sexuell hörig gemacht. Zwei von uns hat er ziehen lassen, Robert Rotifer nach London und den Smash nach New York, aber nur mit der Auflage, dass beide regelmäßig im Netz auf der FM4- Seite Bericht erstatten. Sich sozusagen wie entlassene Schwerverbrecher einmal wöchentlich bei der Polizei melden. Vieles ist nicht normal hier: Seit zwei Monaten dürfen wir keinen Kaffee oder Tee mehr trinken, sondern ausschließlich Blumenaus Blut. Um Gottes Willen, wo bin ich hier reingeraten?
6.9.
Du kennst diesen alten, abgegriffenen Witz vom Beamtenmikado, Tagebuch, oder?
Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Auf niemanden passt dieser blöde Spruch so gut, wie auf das Fräulein Landsgesell, ihres Zeichens vierte Sekretärin von FM4 . Vor allem die neuen Mitarbeiter kriegen einen ganz schönen Schreck, wenn sie das Fräulein Landsgesell zum ersten Mal sehen. Man glaubt, im Wachsfigurenkabinett zu sein. Unheimlich. Verändert das Fräulein Landsgesell doch einmal seinen starren Blick, dann geht der immer auf die Armbanduhr, und um 16 Uhr schreit sie ohrenbetäubend laut: »Feierabend«. In nullkommanix ist sie dann aus der Redaktion. Seit fünf Jahren ist das faule Fräulein Landsgesell jetzt bei uns, und irgendwie haben wir sie alle liebgewonnen, obwohl sie noch nie auch nur eine klitzekleine Tätigkeit erledigt hat. Wortchef Pieper hat letztens in der Krisensitzung gemeint, wir könnten statt ihr auch einen ausgestopften Pudel an den Schreibtisch setzen. Das war gemein.
Mir hat das reizende Fräulein Landsgesell letztens zugestöhnt, sie glaube, sie leide am Burn-Out-Syndrom. Da habe ich lachen müssen. Ihr fällt regelmäßig der Bleistift aus der leblosen Hand; wenn sie vor Müdigkeit vom Sessel rutscht, muss der extra dafür abgestellte Redakteur Farkas sie wieder raufziehen, und nachdem sie auch zu faul zum Essen ist, muss Frau Schönwiese sie
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