Speichelfaeden in der Buttermilch
Mentholzigaretten raucht. Der arme Karl hat auf Madeira kein Wort verstanden, sie versteht bei den vielen Engländern, Amerikanern und Franzosen bei FM4 auch kein Wort. Ja, unsere Chefin hat vieles gemeinsam mit dem alten Weltkriegskaiser, nicht nur, weil sie ein Penthouse im Schloss Schönbrunn bewohnt.
Liebes Tagebuch, unsere Chefin ist auf dem Foto zu sehen, das bei der Audienz der österreichischen Karl-Delegation beim Papst entstand. Ihr zotteliges Haar hängt dem armen Papst vor dem Gesicht, als hätte der es nicht ohnehin schon schwer genug. Der österreichische Nationalratspräsident Khol lächelt verkrampft, wahrscheinlich weil es ihm peinlich ist, dass Eigensperger dem Papst eine FM4- Zahnbürste und eine FM4- Schirmkappe als Dankeschön für die Seligsprechung überreicht. Das Foto hängt jetzt trotzdem in Plakatgröße in ihrem Büro, gleich neben einem Riesenposter, auf dem Kaiser Karl und Kaiserin Zita zu sehen sind.
Na ja, wenn es sie selig macht.
Auch für monarchistische Fundamentalkatholiken muss Platz sein, vielleicht kann sie ja später im Himmel für uns FM4- Mitarbeiter ein gutes Wort einlegen, die wir mehrheitlich sogar aus der atheistischen Bewegung ausgetreten sind.
17.10.
Liebes Tagebuch, ich habe einen herzzerreißenden Brief gelesen von einem Geldeintreiber der ukrainischen Mafia an Senderchefin Eigensperger. Dimitri ist einer der härtesten Jungs Wiens, er arbeitet für die Unterwelt und hat unorthodoxe Methoden entwickelt, wie er Leute, die anderen Leuten Geld schulden, dazu überredet, ihm dieses Geld zu geben, und zwar auf der Stelle. Seine Argumente kann man laden und abfeuern. Nun, liebes Tagebuch, für Dimitri lief alles gut, bis er selbst sich Geld ausgeborgt hat von Chefcontroller Blumenau. 50 Cent für einen U-Bahn-Fahrschein. Dimitri wusste nicht, von wem er sich da Geld ausgeborgt hatte, und Blumenaus Spruch von wegen »auf den 50 Cent steht »Wiedersehen« drauf« nahm Dimitri nicht besonders ernst. Ein Riesenfehler. Nach nicht einmal 24 Stunden stand Blumenau vor Dimitris Tür und holte sich auf unorthodoxe Weise seine Münze zurück. Ich weiß nicht, was passiert ist, aber in dem Brief an unsere Chefin hat Dimitri gejammert, dass eine solche Brutalität selbst in der ukrainischen Mafia unbekannt sei. Seit ich den Brief gelesen habe, fürchte ich um Stermanns Gesundheit. Immerhin hat er sich vor zwei Stunden für den Kaffeeautomaten 10 Cent von Blumenau ausgeliehen und immer noch nicht zurückgegeben.
Liebes Tagebuch, ich will meine Schulden ja zurückzahlen, ich hab in der ganzen Redaktion herumgefragt, ob mir irgendjemand 10 Cent borgen kann, damit ich Blumenau auszahlen kann. Aber niemand hat so viel Bargeld dabei. David Pfister hat mir 2 Cent angeboten, aber auf Ratenzahlung wird Blumenau niemals eingehen. Er hat mir schon 5 Minuten, nachdem ich mir das Geld ausgeborgt hatte, ein Stück meines rechten Ohrs abgebissen und die Hälfte meines linken Nasenflügels. Sowie Ober- und Unterlippe. So ein Mist. Den Kaffee, den ich mir mit seinem Geld gezogen habe, kann ich ohne Lippen nicht mehr trinken, er rinnt mir einfach aus dein Mund wieder raus, weil ich ihn nicht mehr schließen kann. Grissemann könnte mir helfen. Immerhin hat er fast 5000 Euro in den Gürtel eingenäht. Aber er sagt, er braucht das Geld für Notfälle. Dass ich vielleicht bald vollkommen weggebissen sein werde, ist offenbar kein Notfall. Ja ja, in der Not lernst du Freunde von Feinden zu unterscheiden.
18.10.
Liebes Tagebuch, Stermann hat sich ein HSV -Trikot angezogen, das nennt man wohl Galgenhumor. Eigentlich sollten wir uns alle so ein Trikot anziehen, denn der HSV bestimmt zurzeit unser Redaktionsleben, der Herpes-Simplex-Virus oder, um es unfeiner zu sagen: Mundfäule. Wie gut, dass es noch kein Geruchsradio gibt, liebes Tagebuch. Der Radiodoktor hat FM4 unter Quarantäne gestellt und behandelt uns nur telefonisch, aus Angst vor Ansteckung. Mundfäule ist bei Erwachsenen eher selten, eigentlich trifft es Kleinkinder unter drei und überträgt sich beim Schmusen oder gemeinsamen Benützen von Besteck, Geschirr oder Spielzeug. Ich vermute also, dass die Infantilität einiger Kollegen schuld ist an unserer Epidemie. Clemens Haipls Beißringe hab ich immer schon mit Argusaugen angeschaut, Martin Piepers Plastikknochen und Rudi Ortners Stofftiere, Burstups Holzeisenbahn und Gerlinde Langs Drahtpuppe, das war mir alles immer schon suspekt. Dazu die aufblasbaren Latexpuppen von Magister Edlinger
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