Speichelfaeden in der Buttermilch
und Stuart Freeman. Und es scheint sich zu rächen, dass die lieben Kolleginnen und Kollegen zusammen gespielt und Spielzeug miteinander getauscht haben – da lachten die Herpes-Simplex-Viren und vermehrten sich wie Maria Theresia und die Karnickel. Dass deren Schmusen mit fremdem Spielzeug bei mir zu hohem Fieber und der Verweigerung von Nahrungsaufnahme führt, werde ich meinen Kollegen niemals verzeihen.
Liebes Tagebuch, ich habe auf der Mundschleimhaut, dem Zahnfleisch, dem Gaumen, den Lippen und rund um den Mund unzählige Bläschen und Aphten, mein Zahnfleisch ist geschwollen und die betroffenen Stellen tun höllisch weh. Ich Trottel hätte nie in Haipls Beißring beißen dürfen und nie mit Gerlinde Langs Drahtpuppe schmusen dürfen. Alle jammern still vor sich hin, die ärmsten Schweine sind die, die moderieren müssen, unter Schmerzen und mit blutendem Mund. Ob die Hörer das eigentlich merken? Und kann sich Mundfäule nicht vielleicht auch über Schallwellen übertragen? Was für eine Vorstellung, wenn man FM4- Hörer in der U-Bahn an blutenden Mündern erkennen könnte. Na ja, liebes Tagebuch, laut dem Radiodoktor gibt es immerhin eine gute Nachricht. Hat man die Mundfäule überstanden, ist man für den Rest seines Lebens immun. So lange müssen wir halt kalten Topfen essen, um die Schleimhäute zu kühlen und ein bisschen was in den Magen zu bekommen. Be afraid, honey. It's FM4 .
19.10.
Liebes Tagebuch, Nachrichten aus der grünen Hölle. Thymian-Terror versus Holunderhype. Seit Chefin Eigensperger ein Buch über die Heilkraft von Gewürzen und Kräutern gelesen hat, gleicht die Redaktion einem Urwald. Überall wuchert grüner Irrsinn, man stolpert über Basilikum und Rosmarin, verfängt sich in Zitronengras und Minze. Ich stinke wie ein gepanschtes Ökoparfum, überall krabbeln Käfer herum – was ist nur aus unserem hippen urbanen Jugendsender geworden? Ein Disneyland für Pflanzenfreunde. Erlaube mir, liebes Tagebuch, den abgeschmackten Wortspielkalauer: Ich selber fühle mich gepflanzt. Mein Schreibtisch ist übersät mit stinkenden Blüten, es riecht nach Humus und feuchter Erde. Wenn ich solche Dinge riechen will, lege ich meinen Kopf unter Stermanns Achsel, dafür brauch ich nicht Eigenspergers Indoor-Hexenkräutergarten.
Liebes Tagebuch, Grissemann ist sauer, weil er sich um das langweilige Bohnenkraut kümmern muss. Die Chefin hat jedem Mitarbeiter Kräuter zugewiesen, die man hegen und pflegen muss. Mit einem kecken Sonnenhut aus Stroh darf ich mich jetzt um das dekorative Heilkraut Mädesüß sorgen. Mädesüß, wie das schon klingt. Ich bin sehr stolz, als FM4- Frauenschwarm das Mädesüß zugewiesen bekommen zu haben. Ich war dabei, als das dämliche, unsensible Bohnenkraut an Grissemann vergeben wurde. Ein Schlag ins Gesicht. Wenn schon Würzkräuter, dann vielleicht ein so lyrisch klingendes wie Liebstöckl, das hätte auch gepasst, weil er doch neulich so lieb zu Barbara Stöckl war – Liebstöckl. Na ja, Grissemann hätte ja auch Königskerze erwischen können, was im Hinblick auf seine Erektionsschwierigkeiten auch unangemessen gewesen wäre. Ich gieß jetzt mal das Mädesüß und schau auch noch nach Edlingers Frauenmantel. Herrlich, ich liebe diese geilen Kräuter. Schade, dass die grünen Dinger meine Anmachversuche nicht erwidern.
22.10.
Liebes Tagebuch, bin ich ein hilfsbereiter Mensch? Ja, ich bin ein hilfsbereiter Mensch, aber auch meine Gutmütigkeit kennt Grenzen. Diese Grenzen sind sehr weit gesteckt, aber es gibt sie. Ich habe nichts gesagt, als ich jahrelang gratis für FM4 das »Morgengrauen« moderiert habe. Ich habe nichts gesagt, als ich gratis für Sendungen von Kollegen meine Stimme verliehen habe; ich habe nichts gesagt, als ich bei unzähligen FM4- Festen gratis aufgetreten bin; ich habe nichts gesagt, als ich bei Messen unentgeltlich wochenlang an FM4- Ständen stand; ich habe nichts gesagt, als ich für Jungfilmer gratis synchronisiert habe; für den »Sumpf« – hab ich mir mal ausgerechnet – hab ich in den letzten Jahren fast 120.000 Seiten aus Büchern vorgelesen, natürlich ohne je auch nur einen Cent Honorar bekommen zu haben. Hab ich irgendwas gesagt? Ich habe nichts gesagt. Aber jetzt reicht's. Ich soll wie die FM4- Freundin, diese Pappfigur, wochenweise an Hörer vermietet werden. Wieder ohne Bezahlung. Nein. Irgendwann muss auch ich Grenzen setzen. Alles lass ich nicht mir machen, meine momentane Wut auf FM4 ist nicht von Pappe.
Liebes
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