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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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Tagebuch, nahezu alles hat der befreundete Musiksender GOTV richtig gemacht. Kein dusseliges Moderatorengeschwätz, astreine Videoauswahl, den FM4- Charts ist eine eigene Sendung gewidmet. Alles fein. GOTV -Chef Madersbacher ist größter Respekt auszusprechen, und dass sich der kleine Sender auch steigender Zuschauerzahlen erfreuen kann – Gratulation. Unaufdringliche Werbung, okaye Layout-Ästhetik und mit »Be part of it« auch kein schlechter Sonderspruch! Nahezu alles, wie gesagt, hat das liebe GOTV richtig gemacht. Aber wer, bitteschön, ist für diesen unfassbar enervierenden, unerträglichen Zwischenjingle verantwortlich, der so mit »The VJ !« anfängt? Das ist nicht auszuhalten, GOTV ! Es gibt keinen größeren Umschaltimpuls, GOTV ! Welcher geisteskranke Irre gehört dafür bis ans Ende seines Lebens geohrfeigt? Schmeiß den Jingle raus, oder go home GOTV !
    Eine Unterschriftenliste gegen den entsetzlichen GOTV Zwischenjingle ist in Vorbereitung. Natürlich könntest du, liebes Tagebuch, einwenden, es gebe größere Probleme, Arbeitslosigkeit, Tierschutz, Terrorbekämpfung und so weiter; ja ja, aber mindestens auf Platz vier der Entsetzlichkeiten dieser Welt steht der GOTV Zwischenjingle, den Grissemann so gut nachmachen kann. Wenn nötig, organisieren wir Montags- bis Sonntagsdemos gegen diese akustische Schweinerei. Hunderttausende werden auf die Straße gehen und dich nach Strich und Faden fertigmachen, GOTV , wenn du nicht endlich diesen Jingle rausschmeißt! Wir meinen es ernst, tu was, GOTV !
    12.10.
    Jetzt beginnt also die Viennale, liebes Tagebuch. Mir ist das ganz Recht, wenn die ganzen Bobos mit ihren Falter -Rucksäcken den halben Tag im Kinodunkel sitzen; hab ich die Stadt wenigstens für mich allein. Mich wird man vergeblich im Lichtspieltheater suchen; alles viel zu eng, viel zu stressig und, ich gebe zu, viel zu cineastisch. Mir gefallen Adriano-Celentano-Filme, und bevor ich mir einen taiwanesischen Politproblemstreifen ansehe, gehe ich lieber ins vollklimatisierte Wettcafe, trink sieben, acht Weizenbier und lass mein ganzes Geld beim Hunderennen liegen. Jeder dieser Köter ist mir näher als Lauren Bacall. Nein, nein, die Viennale wird, wie in den Jahrzehnten zuvor, mal wieder ohne den ignoranten Grissemann auskommen müssen.
    Anders als Grissemann genieße ich das Gesichtsbad während des Eröffnungsfilms der Viennale. Für mich schöne alte Tradition. Shakehands mit dem baumlangen Kulturstadtrat, im Foyer ein Gläschen Prosecco mit Christiane Hörbiger und Adriana Zartl, und – ha! – steht da nicht der Thomas Trenkler vom Standard? Servus, servus.
    Dann gibt's noch schnell drei Autogramme auf die Handrücken zweier übergewichtiger Publizistikstudentinnen, und dann ab in den Kinosaal. Herrlich! Zwei Stunden allergrößtes Kinovergnügen! Ich versteh den Grissemann-Proll überhaupt nicht, dieses kulturlose Arschloch soll mit seiner Stänkerei nachhause gehen.
    13.10.
    Du glaubst es nicht, Tagebuch, wie unsportlich die Kollegenschaft hier ist! Die Redaktionskörper gehen langsam, aber sicher komplett aus dem Leim. Der liebe Zsutty beispielsweise hat gar keine richtigen Konturen mehr im teigigen Gesicht. Kann man auch Gesichtsfett absaugen? Ich selbst nehme mich gar nicht aus, Tagebuch! Ich bin nackt weißgott kein schöner Anblick, aber im Gegensatz zum spitzbäuchigen Magister Edlinger, den zudem ein Hexenschuss plagt, immer noch ein Sexsymbol. Durch den Hexenschuss bewegt sich Edlinger mit rausgestrecktem Hinterteil und vorgebeugtem Oberkörper wie ein alter, kranker Narr durch die Redaktion. Freche Workstation-Mitarbeiter haben dem Edlinger, ohne dass er's gemerkt hat, ein Tablett auf den Hintern gestellt, mit Schnäpschen drauf.
    Wir trinken und lachen viel zurzeit.
    Edlingers Hexenschuss ist bei weitem nicht das einzige Redaktionsgebrechen zurzeit. Wortchef Piepers Lippenherpes breitet sich seit September besorgniserregend übers ganze Gesicht und auch die Brille aus, Fred Schreiber fällt beim Reden immer die Zunge aus dem Mund. Sieht sehr unschön aus. Und Clemens Haipl wurde bei einer geplanten Lebertransplantation versehentlich eine Niere eingepflanzt. Jetzt hat er drei Nieren, aber keine Leber. Mal sehen, wie der Körper darauf reagiert. Ich persönlich könnte auch ein wenig Sport vertragen, liebes Tagebuch. Meine Hand ist mittlerweile zu dick, um ins Postfach reinzugreifen. Und mein Tripelkinn hängt bis zum Boden runter. Es wird nicht leichter, Tagebuch.
    14.10.
    Es

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