Speichelfaeden in der Buttermilch
muss mal gesagt werden, liebes Tagebuch: Ich rieche sehr, sehr gut. Was ja auch kein Wunder ist, bin ich doch der einzige FM4- Herr, der für Kosmetikprodukte mehr als 1800 Euro im Monat in der Drogerie seines Vertrauens lässt. Die Gesichtslotion von Joop! verleiht meinem Teint etwas Strahlendes, und von meinem berückenden Jil-Sander-Duft schwärmen sämtliche Puppen hier bei FM4 . Nicht zu vergessen das Pfirsich-Haarshampoo von l'Oreal, das meinem stolzen Haupt einen Hauch von frischem Obstgarten verleiht. Die anderen, zutiefst verstunkenen FM4- Mitarbeiter umweht bestenfalls ein primitives Davidoff-Aftershave und der verschmockte Geruch billiger Oma-Kernseife. Tja, that's me. Christoph Maria Grissemann – Ehrenkunde der Parfumerie Douglas – come in and find out. Kommen Sie rein und finden Sie wieder raus!
Grissemann riecht, als hätte er 40 Jahre im Body Shop neben Esoterik-Duftkerzen gelegen. Grauenhaft, Tagebuch. Und auch ein bisschen, ja, sehr schwul. Sein aknezerfressenes Gesicht passt auch gar nicht zu diesen eleganten Hochpreis-Düften. Ich meine, wo er recht hat, hat er Recht: dieser herkömmliche FM4- Männergeruch aus Schnaps, Schweiß und Haschisch ist auf Dauer kaum zu ertragen, aber muss man im Gegenzug dann so riechen wie Rudolph Moshammer? Mir wär das viel zu affig. Ich muss mich jeden Morgen mit Knoblauchpaste einschmieren, um meine Krätze in Schach zu halten, sagt der Hautarzt, und trotzdem hat sich noch keine Frau beschwert. Ich rieche, wie ein Mann riechen muss. Schluss mit der lächerlichen Parfumdebatte!
15.10.
Liebes Tagebuch, die Feiern zu »80 Jahre Radio« sind in vollem Gang, und es wundert mich, dass etliche Kollegen unseres vermeintlichen »Jugendsenders« in diese Feiern involviert sind. Stermann und ich haben mit den fast 200jährigen Kollegen vom »Guglhupf« diskutiert, Hermes hat moderiert, Fips Ostermayr hat mit seinem Gehstock auf den Boden geklopft, wenn ihm ein Witz von Lore Krainer oder Werner Sobotka gefallen hat, Kollege Schöllerbacher saß neben Ilse Buck und Stuart Freeman mit den anderen ORF -Pensionisten am Ehemaligen-Stammtisch. Hat das noch etwas mit einem Jugendsender zu tun? Ist es normal, wenn die dienstältesten Sendungen des ORF allesamt auf FM4 laufen? Wenn der Altersschnitt bei Ö1 und Radio Stephansdom weit unter unserem liegt? Sind wir nicht inzwischen die, die die Großeltern unserer Hörer bereits gewarnt haben, abends nicht zu viel zu trinken? FM -Geriatrie. Alt wie nie.
Liebes Tagebuch, immer wenn ein Kollege Geburtstag hat, kommt der Bürgermeister mit einem Fotografen. Von den zehn ältesten Menschen Österreichs arbeiten vier bei FM4 . Und wer von uns biologisch jünger ist, ist dafür geistig vergreist. Siehe Martin Blumenau, der knapp unter 70, aber von Altersbosheit zerfressen ist. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum so viele hier immer schwarz gekleidet sind. Es lohnt sich einfach nicht, sich für die zu erwartenden Beerdigungen ständig umzuziehen. Unsere skurrile Alters- WG hier hat mit dem Alltag unserer Hörer nichts zu tun; die Tabletten, die wir hier einwerfen, sollen uns nicht aufputschen, sondern haben ausschließlich lebenserhaltende Funktion. Musikchef Makossa sieht inzwischen aus wie der Vater von Franz Liszt, Gerald Votava wie der Opa der Waltons und Christian Fuchs wie der Großvater von Ozzy Osbourne. Irgendwann wird das alles auffliegen, und die Hörer werden sich beschämt von uns abwenden, wenn sie mitbekommen, wie hier altersschwach auf Mikrofone gesabbert wird und Windeln vollgeschissen werden und Gehhilfen über den Teppich schleifen.
16.10.
Liebes Tagebuch, ich habe erst jetzt erfahren, dass Senderchefin Monika Eigensperger maßgeblich daran beteiligt war, dass Kaiser Karl selig gesprochen worden ist. Deshalb also ihre vielen Reisen nach Rom! Wir dachten, sie besuchte dort coole Clubs, in Wahrheit war sie mit Kardinal Ratzinger und der Frau vom Papst shoppen und lecker essen, um sie sanft zu bearbeiten, den alten Habsburger doch mal ein bisschen selig zu sprechen. Aber warum? Wahrscheinlich, weil sie sich dem Schicksal des letzten österreichischen Kaisers verbunden fühlt. Er musste aus Österreich raus und auf Madeira ins Exil, sie musste ihren Topjob beim »Treffpunkt Ö3« aufgeben, um ins FM4- Exil zu gehen. Karl lebte auf Madeira in vergleichsweiser Armut, das ist bei FM4 genauso; weil's in seinem Exilschloss kalt und feucht war, bekam er Husten – sie hat auch Husten, weil sie kalte, feuchte
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