Speichelfaeden in der Buttermilch
anhören? Ich denke, dass die Herren Schreiber und Haipl und Puntigam schon selbstkritisch genug sind, dass sie das einsehen. Außerdem gibt es so schöne Sendungstitel: » ZDF -Hitparade«, »Die Johannes B. Kerner Show«, »Frisch gekocht«. Ich heiße zum Beispiel Stermann. Auch ein schöner Name, besser als Hassloch oder Morgenschweiß. Da fällt mir mein Lieblingsabspann der deutschen Fernsehgeschichte ein. Bei der idiotischen Musiksendung »Formel 1« vom Bayrischen Rundfunk kamen im Abspann nacheinander folgende Namen: Stefan Morgenschweiß, Beate Frühstück und Kai von Kotze. Namen, die zusammen eine richtige kleine Geschichte ergeben.
2.3.
Liebes Tagebuch. Die strengen Hierarchien hier bei FM4 verlangen es, dass die unwichtigen Mitarbeiter lediglich an kahlen Schreibtischen kauern, während die Chefs echte Zimmer haben und so ungestört sind. Musikchef Makossa residiert ganz hinten und hat sein Reich meist fest abgeschlossen, Senderchefin Eigensperger schnarcht in einem Prunkbüro mit Riesenluster und eigenem Katzengehege vor sich hin, nur den lieben Wortchef Pieper haben sie in einen Glaskäfig gesteckt, der so aussieht, als hätte er ihn direkt von Hannibal Lecter übernommen. In Piepers Glasbüro kann jeder jederzeit reinsehen. Sehr unangenehm. Der Wortchef ist keine Sekunde mit sich allein. Er muss sich fühlen wie im Zoo.
Tatsächlich drücken sich viele junge FM4- Mitarbeiter die Nasen an Piepers Glasbüro platt, ganz so, als wäre unser Wortchef Elefantenbaby Abu. Der Hannibal-Lecter-Vergleich von Grissemann ist übrigens gar nicht schlecht. Manchmal schreckt uns Pieper, der immer der Erste im Büro ist, damit, in Lecter-Manier sehr aufrecht mit am Rücken verschränkten Armen neben seinem Schreibtisch zu stehen und unheimlich aus dem Büro rauszuschauen. Ein Scherz des Wortchefs, der uns ganz schöne Angst einjagt. Ja, die ständige Beobachtung, der er ausgesetzt ist, hat ihn verhaltensgestört gemacht. Er ist kaum mehr in der Lage, normal zu kommunizieren, und wird von Pflegern jeden Abend abgeholt.
4.3.
Nachdem die wie ein afrikanischer König gekleidete, sehr sympathische Lohnverrechnerin Frau Awadalla am Montag eine satte Assinger-Million abgestaubt hat, habe ich mir Gedanken gemacht, wer von FM4 wohl am ehesten an die Million herankommen würde, liebes Tagebuch. Wahrscheinlich der seltsame Herr Edlinger. Er ist der Schlaueste von uns allen. Kennt sich in Wirtschaft, Politik und Kunst aus und hat auch in Geographie, Physik, Sport, Religion und Sexualkunde keine Wissenslücken. Der Edlinger würde die Millionenleiter raufklettern, dass dem simplen Assinger die Luft wegbleibt. Für die anderen FM4- Herren wäre wohl bei 1000 Euro Endstation. Den Damen gebe ich 1000 Euro mehr, aber dann ist Schluss. Nein, den Job müsste schon der »Sumpf«-Edlinger erledigen, mit mir als Telefonjoker für die Millionenfrage, versteht sich.
Als Edlinger das hörte, war er sehr geschmeichelt, liebes Tagebuch, gab aber zu bedenken, dass er bei Sprichwörtern äußerst unbeleckt sei. Er wisse zum Beispiel nicht, was Morgenstund im Mund hat und was eine Schwalbe noch nicht macht. Was die Axt im Haus erspart und was dem passiert, der anderen eine Grube gräbt, das könne er auch nicht mit letzter Sicherheit sagen. Verdammt, so wird's also doch nichts mit der FM4- Million. Im Gegenteil, der Edlinger würde sich unglaublich blamieren und mit 50 Euro gedemütigt vom Stuhl klettern, weil er die Trottelfragen nicht beantworten kann, sondern nur die ganz, ganz schweren. Dann verdienen wir unser Geld halt weiterhin mit ehrlicher Arbeit. Und der Edlinger kriegt zum Geburtstag ein Sprichwörter-Lexikon geschenkt. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!
6.3.
Liebes Tagebuch, man muss sich FM4 als brodelnden Ameisenhaufen vorstellen. Hunderte Mitarbeiter laufen mehr oder weniger übereinander hektisch in die Studios, trommeln Texte in die Schreibmaschinen, interviewen Szenegrößen, werken, schrauben, hämmern bis tief in die Nacht. Nein, sogar rund um die Uhr. Da vergisst der fleißige, karrieregeile Redakteur schon manchmal aufs Essen. Dann knurrt der gastritisgeplagte Magen und der Automat spuckt außer eingeschweißten Extrawurstsemmeln aus dem letzten Jahrtausend so gar nichts aus. Deshalb kleben an allen Türen in der Redaktion Telefonnummern von Pizza-Lieferdiensten. Der Pizzadienst ist der engste Vertraute des FM4- Arbeitstiers. Wir haben die Burschen, die die Kartons in einer Hand jonglieren, richtig lieb gewonnen.
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