Speichelfaeden in der Buttermilch
Goldhamster unter die Heizung pisst.
Nee, das ist mein Meerschweinchen. Es ist inkontinent. Sagen Sie mal, können Sie denn gar nix richtig?
Sie sollten sich mal wieder duschen, Herr Grissemann.
Also, was ist, Stermann? Schauen Sie, ich hab den ganzen Tag schwer gearbeitet im Meerschweinchenstall. Ich habe sehr geschwitzt und wollte duschen gehen. Fassen Sie sich bitte kurz, ich habe nämlich auch noch Besuch. Ein Herr ist völlig überraschend auf sehr unkonventionelle Weise zu Besuch gekommen. Der Herr ist – stellen Sie sich mal vor – durchs Fenster gekommen, mit einer Pudelmütze auf dem Kopf und einem Maschinengewehr mit abgeschnittenem Lauf in der Hand. Echter Exzentriker. Er sagt, er interessiert sich für meinen Schmuck und alle meine Wertgegenstände. Es ist so schön. Endlich interessiert sich mal jemand für mich. Für mich und für das, was ich besitze.
Aha. Ja, dann will ich Sie nicht stören, wenn Sie so lieben Besuch haben.
Was wollten Sie denn eigentlich?
Ich wollte nur fragen, ob Sie irgendwas gehört haben von einem Störfall im Atomkraftwerk, weil mir doch die Haare ausgefallen sind und mein Zahnfleisch nach Ballettschuhen riecht.
Nee, ist nichts Besonderes. Man brauchte nur vorübergehend ein Zwischenlager für 5000 Kilo Atommüll, und da hat man Ihren Dachboden ausgewählt, weil er doch der größte und hässlichste im Dorf ist.
Ach, und ich werd gar nicht gefragt.
Natürlich nicht, Sie hätten ja doch nicht zugestimmt.
Stimmt, ich bin oft so unkooperativ. Na ja, was soll's. Dann weiß ich wenigstens, warum ich jetzt die Haare vom Boden fegen muss. Schöne Grüße noch an Ihren lieben Besuch. Ich stöbere noch ein bisschen am Dachboden herum.
Ja, Wiederhörn.
Wiederhörn.
Folge 2: Sportsfreunde
Stermann.
Mmh.
Grissemann?
Mmh.
Mein Gott, ich rieche ein Klebeband über Ihrem Mund.
Mmh.
Moment. Passen Sie mal auf. Drehen Sie sich mal um. Hinter Ihnen rieche ich einen rostigen Nagel an der Wand. Versuchen Sie, mit dem Mund über den Nagel zu fahren und so das Klebeband abzukriegen.
Mmh … aah! Wow! Welch ein Tag, Stermann.
Was ist denn passiert?
Mein Gott, der Herr hat sich für alles begeistern können. Für meine Gemälde, mein Geschmeide, mein Tafelsilber, mein Bargeld, er hat alles geliebt und alles genommen. Ein leidenschaftlicher Mensch. Ein Mann, der keine Kompromisse macht. Diese Einstellung gefällt mir.
Das kann ich verstehen. So etwas beeindruckt mich auch. Ein klares Ziel vor Augen. Hut ab!
Als er mir beim Abschied den Mund zuklebte, wollte er damit wohl zum Ausdruck bringen, dass es nicht immer der leeren Worte bedarf, wenn zwei Menschen gleichen Herzens sich begegnen. Da genügen Blicke und Berührungen.
Mein Gott, ist das schön. Mir kommen die Tränen.
Und als der fremde Mann gehen musste, da entschloss er sich, mich ganz eng und fest ans Heizungsrohr zu binden. Sie verstehen, Stermann? Die Heizung, als Symbol für Liebe, Wärme und Geborgenheit. Als Ersatz für ihn. Er.
Ist das schön, Herr Grissemann. Wird er wiederkommen?
Nein. Er sagte, er wird niemals wiederkommen. Und dann kam der für mich berührendste Moment. Er schrie heraus: »Keine Polizei!« Verstehen Sie, Stermann? Keine Polizei. Präziser und poetischer hat wohl noch nie ein herzensgebildeter Mensch der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass eine Gesellschaft irgendwann ohne Kontrolle und Macht imstande ist, sich einzig und allein Brücken zu bauen aus Liebe, ein festes Gerüst, auf dem zu leben erst wirklich leben heißt.
Auch ich bin ein anderer geworden, Herr Grissemann. Ich war auf dem Dachboden und habe zwischen den Atommüllfässern ein wenig herumgestöbert, und ich wurde dort stiller Zeuge einer fremden Welt. Ich sah dort Milben, groß wie Hunde. Spinnen mit Hufen und Ratten mit drei Köpfen. Drei Köpfe! Dreimal so viele Gedanken, dreimal soviel Geisteskraft. Mir selbst ist ein Schuppenpanzer gewachsen, schildkrötengleich. Dafür ist mein Augenlicht erloschen. Ich habe sechs Beine und Fühler.
Aha. Soll ich einen Arzt rufen?
O nein. Sie sprechen mit einer glücklichen Kreatur. Nur eins bedrückt mich. Da ich jetzt Kiemen habe und im Wasser leben muss, ist mein Geruchssinn völlig verkümmert.
Na ja. Ich bin ein wenig ermattet, Stermann. Vielleicht sollten wir erst einmal die Eindrücke verarbeiten.
Sie haben recht. Schlafen wir erst mal drüber. Gute Nacht, Sportsfreund.
Nacht, Sportsfreund.
Karibik
Folge 1: Die drohende Bypassoperation
Stermann.
Grissemann hier. Können
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