Speichelfaeden in der Buttermilch
die Erfindung der Kindermilchschnitte, aus. Sein Leben, geopfert einer Zwischenmahlzeit, alle Energie aufgewandt für so eine Scheiße! Angsterfüllt riss er die Augen wieder auf. Über ihm kniete die geile Krankenschwester. Sie riss sein Hemd auf, wie Millionen Kinder täglich die Verpackung einer Kindermilchschnitte aufreißen. »Nur damit sie es richtig einschätzen, wenn ich jetzt mit Ihnen ficke, ist das für mich nicht mehr als etwas Sex für zwischendurch!« Am nächsten Morgen las er am Frühstückstisch im Wolfsburger Boten:
»Irre: Geile Krankenschwester und Erfinder der Kindermilchschnitte treiben's im Krankenhausfoyer!«
»Alles Verrückte«, dachte Ingo Eggert, während aus seinem kranken Zahnfleisch dicke Blutstropfen auf den Honig fielen.
Karel und Junta
Karel und Junta waren ein Brüderpaar, wie es unterschiedlicher nicht hätte sein können. Karel wurde 1953 zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt wegen schwerem Raub, Junta aber im gleichen Jahr zu 13 Jahren Kerker wegen schwerer Körperverletzung. Oft kam Olga von Dolega-Koscharowski ins Gefängnis, um ihre Söhne zu besuchen, die beide wegen schlechter Führung in Einzelhaft waren. Sie lächelte und sprach viel mit den anderen Gefangenen, weil sie ihre eigenen Söhne ja nicht sehen durfte. »Ich hab da schon zwei ganz verschiedene Söhne großgezogen!«, sagte sie oft zu den Mithäftlingen von Karel und Junta. »Wissen Sie, Karel hat die Schule abgebrochen, und Junta hat keinen Schulabschluss. Karel ist schwul, aber Junta interessiert sich nicht für Mädchen, na ja.« Für Olga von Dolega-Koscharowski war es ein unerklärliches Phänomen, so verschiedene Söhne aus ihrem dicken Bauch heraus in die Welt gezaubert zu haben. Den Mithäftlingen war es aber scheißegal, was sie erzählte. Sie hatten gehofft, die dicke alte Frau hätte das Gespräch begonnen, um ihnen ihre Liebesdienste anzubieten. Weit gefehlt, ihr Knackis! Wisst ihr, Olga wollte reden, sich die Seele aus dem Leib reden und keine fremde, zusätzliche Seele in ihrem Körper spüren! So kam es, dass Olga bald schon allein im Besucherraum saß und leise vor sich hin redete. Karel war zu anderen Kindern schon früh sehr gemein, und Junta wurde im Kindergarten von allen gehasst, weil er so widerlich war. »Wie geht das zusammen?«, fragte sie sich. Beide hatten doch das gleiche Zuhause gehabt, die gleiche Mutter und den gleichen Vater, der als Gelegenheitstransvestit die Familie über Wasser hielt in ihrer feuchten Wohnung; aber richtig über Wasser hielt, das Regenwasser stand zimmerdeckenhoch! Ihr Mann hatte den Kleinen doch alles geboten, zwar nichts, was sich Menschen wünschen, aber immerhin! Ihre beiden Töchter waren auf der Strecke geblieben, von einem Zug überfahren auf der Strecke Lima-Santiago. Sie hatte doch nur noch ihren Mann im kurzen Röckchen und die beiden Söhne, zu denen sie nicht vorgelassen wurde. In ihrem Muttertrieb steckte sie ihren dicken Kopf durch das engmaschige Drahtgitter im Besucherraum. So fest und so verzweifelt drückte sie mit aller Kraft ihren Kopf durch das engmaschige rostige Drahtgitter, dass ihr Kopf auf der anderen Seite in 64 Teilen ankam. Da lag er jetzt, ihr 64teiliger Kopf, auf der Sträflingsseite. Am Abend kam die Putzfrau und kehrte alles weg. In der Zeitung des nächsten Tages stand nichts darüber. Darüber weint Lateinamerika noch heute. Und Österreich? Österreich ist sich wieder mal zu gut. Na, bravo.
Raritäten
Ihm war von Anfang an klar gewesen, dass es schwierig werden würde, aber es war nun mal sein Lebenstraum, in der City ein Raritätengeschäft zu eröffnen. Bloß, wo kriegt man diese verdammten Raritäten her? Das ist ja alles nicht so einfach! Wo gibt's denn aztekische Nasenhaarschneider oder mongolische Schrumpfköpfe malaisischen Zuschnitts? Alles natürlich aus dem Jahr vor Anno scheiß der Hund drauf! Nein, er hatte weder Lust noch Zeit an die Popocatépetl-Ausgrabungsstätten zu fahren, wo irgendwelche Rauschebärte nach uralten zersprungenen Vasen buddeln, in die einmal eine Königstochter reingeschissen hat! Das kostet ja auch so viel, erst mal die Reise, und dann auch noch die Rarität! »Ich bin ja nicht blöd«, sagte sich der 29jährige haftentlassene Frauen-, Kinder-, Männer- und Tiermörder Oskar Fontane. Der zuckerkranke und von Feuermalen im Gesicht entstellte Bluter Fontane war soeben nach einer 27jährigen Haftstrafe aus der Jugendstrafanstalt entlassen worden. Er hatte im Alter von zwei Jahren einen
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