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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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hassrotem Gesicht und extra vorbereiteten Münzen in der zittrigen Faust. Er ging zurück zum Taxistand, um die Rechnung zu begleichen, die inzwischen 4450 Schilling ausmachte. Er gab dem Taxler einen 5000-Schilling-Schein, aber der Taxifahrer lachte nur und sagte, er könne einen so großen Geldschein nicht wechseln. »Na gut. Dann führen Sie mich, bitte, um 550 Schilling zu dem Büro, in dem die Auskunftsmädchen sitzen!«, brüllte er hassbetrunken. Inzwischen war es Winter geworden und sein Bart hing drei Meter aus dem Taxifenster raus. Die Gewehre schienen langsam zu verrosten. »Was wollen Sie Irrer eigentlich mit den Gewehren?«, lallte der unsympathische inländische Taxler. »Na ja, erst Sie mit einem Genickschuss erledigen und dann bei der Telefonauskunft energisch Amok laufen«, antwortete er höflich aber extrem bestimmt. In diesem Moment löste sich ein Schuss von einem der zwölf umgehängten Gewehre und traf ihn selbst in den Rücken. Der Notarzt traf auch, aber mit sechsstündiger Verspätung ein. Da schlummerte unser Hero bereits den ewigen Schlaf, das traurige Ende eines Mannes, der eigentlich einfach nur in Österreich geweckt werden wollte.
    Ex-Po 2000
    Im Krieg hatte man dem heute 83jährigen Wilhelm Brennbus mit einer Granate beide Gesäßhälften weggeschossen. Seit damals muss er sich in der Straßenbahn auf den Bauch setzen. Heute verdient Brennbus mit seiner Behinderung gutes Geld. Er ist das einzig gutbesuchte Ausstellungsobjekt der Ex-Po 2000 in Hannover.
    Extremfressen
    Montagmorgen, 8.00 Uhr früh, Hongkong. Er blickte auf die Uhr. »Na, wart mal ab«, sagte er ungeduldig zu sich selbst wie zu sich selbst. Seit 20 Minuten war er jetzt schon in Hongkong, und noch immer kein Hirn aus einem lebenden Affen gegessen, keine gesalzene Schäferhundprostata und auch keine Insektenpenisse in Aspik. Randy Goldsack, der Fieberthermometertester aus Rotterdam, hatte genug von der westlichen und nahöstlichen Küche, er wollte Abenteuer fressen, Aufregung auf der Zunge spüren, den Gaumen-Kick. Und nicht immer nur Kartoffelpuffer und Püree fressen. Wie glücklich war Randy, als er in der Zeitung ein Inserat mit der Überschrift »Extremfressen« sah. Goldsack lief sofort das Wasser im Schlund zusammen, hatte er doch bei einem hässlichen Unfall sein schönes Gesicht verloren, oder, wie seine Frau fand, bei einem schönen Unfall sein hässliches Gesicht, alles Auslegungssache. Seitdem war seine einzige Möglichkeit der Nahrungsaufnahme sein riesenhafter sabbernder Schlund, der statt seines Gesichts aus dem blut-eitrigen Hals herausragte. Ein Schlundhygieniker aus Ungarn hatte ihn operiert, ohne Werkzeug und Watte, nur mit den bloßen Händen. Goldsack hatte jetzt ein funktionierendes Gebiss auf dem Schlund sitzen, das nach Essen gierte und furchterregend klapperte. Er wollte all diese im Inserat angepriesenen Köstlichkeiten einer bizarren Esskultur kosten: Hummerhoden, Rattendärme und Nashornnebenhöhlen, Braunbärbrustwarzen, Euleneuter und Amselärsche. 8.10 Uhr: Goldsack hinkte ins nächste Spezialitätenrestaurant und verdrückte als zweites Frühstück acht Gebärmutterkrebse in Cannabissauce, dazu ließ er drei, vier Froschfurunkel in den gierigen Schlund sausen. Zu trinken gab es Dalmatinerdünnschiss und frisch gepresstes Dackelblut, das Inserat hatte nicht übertrieben. Extremfressen. Er lächelte zufrieden, während er die Kadavercracker in Pinguinpisse dipte. Er lehnte sich zufrieden zurück und studierte die Dessertkarte, wo ein verwackeltes Schwarzweißfoto Lust auf »Bandwurmparfait in Lebendläusenest, garniert im Kakerlakenkotmantel« machte. »Einmal das Bandwurmparfait!«, brüllte Goldsack glücklich. Es schmeckte wunderbar. Er verließ das Restaurant tänzelnd und setzte sich die Sonnenbrille auf den Schlund. Randy Goldsack war in diesem Moment der glücklichste Schlund der Welt.
    Henriettes Geburtstag
    Genau so hatte sie sich ihren 80. Geburtstag vorgestellt. Kein Schwein da. Sie, allein in diesem Grufti-Lokal, der grindige Alleinunterhalter mit leerem Blick vor seiner Hammond-Orgel, die Platzkärtchen an der reich gedeckten Tafel wie zum Hohn in Reih und Glied vor leeren Stühlen. Wie viele Einladungen hatte sie verschickt? 200, 250? Und dann dieses Desaster. »Alles Arschlöcher«, dachte Henriette Mett. Sie schlug in Ermangelung eines anderen Gegenübers dem vertrottelten Alleinunterhalter die Faust in den Unterleib. Er fiel stöhnend auf die Tasten, und die Melodie, die

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