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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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hatte die Sendung vorletzten Sonntag. Die »Morning Show« vom Dienstag hatte immerhin 42 und »Heartbeat« am Montag 155. 150 Hörer ist etwa der Durchschnittswert bei FM4 . Der ekelhafte Grissemann ist zum wiederholten Male mit fast 60.000 Zuhörern Quotenkönig. Senderchefin Eigensperger reicht ihm gerade die Hand zur Gratulation. Irgendwie glaub ich nicht an diese dubiosen Hörerzahlenuntersuchungen, zumal die Methode »aus-dem-Bauch-Schätzung von Herrn Grissemann« heißt und von wirklicher Seriosität weit entfernt ist.
    16.1.
    Geburtstag FM4
    Neun ganze Jährchen hat FM4 jetzt am krummen Buckel, liebes Tagebuch. Und Stermann, mein treuer deutscher Dackel, und ich von Anfang an dabei. Zeitzeugen in Sachen Jugendradio. Wow. Und wir denken auch nicht im Traum dran, jemals hier wieder rauszugehen. Nein, nein, wenn FM4 den 59. Geburtstag feiert, wird man uns als Spinnweben von der Studiodecke kratzen müssen!
    Es ist aber auch zu schön hier! Die eingefallenen Angstgesichter der kleinen Mitarbeiter, die täglichen Schreiduelle zwischen Chefcontroller und Senderchefin, das Zehneurohonorar bar auf die Kralle nach jeder Sendung, das schicke FM4- Großraumbüro, neben dem Saddams Erdloch wie das Hilton wirkt. Nein, nein, das will ich alles nicht mehr missen, diesen täglichen Bürohorror – diese üble Mischung aus Intrige und Infantilität. Wenn es irgendwo neben mir noch einen Radiogott geben sollte, dann soll der bitte dafür sorgen, dass alles so bleibt, wie es ist. Hoch sollst du leben!
    Das ist doch blanker Zynismus, was der durchgedrehte Grissemann da in sein Tagebuch gekritzelt hat. Der Grissemann will schon lange weg von FM4 . Aber es nimmt ihn ja kein andrer Sender. Kein Wunder, ist doch selbst der schmierige ATV Chmelar fünfmal witziger als er.
    Weiß gar nicht, was er hat. Grade zum Geburtstag von FM4 sollte man sich doch seine Wortwahl überlegen. Ich selbst gratuliere dem österreichischen Alternativsender aus vollstem Herzen sehr, sehr herzlich zum neunjährigen Bestehen! Ich bin dem Sender sehr verbunden, auch wenn ich kein Wort englisch spreche. Ah, stimmt nicht ganz – »I« heißt »ich«, glaub ich. Das hat mir der Grissemann mal im steckengebliebenen FM4- Aufzug beigebracht. Mensch, wann war denn das nochmal? Ach ja, vor genau einem Jahr. Der Herr Votava hat den Lift damals von außen zum Stehen gebracht und keine Hilfe geholt, weil die Redaktion nicht wollte, dass ein Deutscher am achten Geburtstagsfest teilnimmt. Auch heute muss ich mit einem Plastiksack überm Kopf am internen Geburtstagsfest teilnehmen, und die Damen Czesch, Unterweger und Unger schreien dauernd »Elephant Man« zu mir rüber. Na ja, hart ist es in jeder Firma. Und ich kann verzeihen. Alles Gute, FM4 ! Ich liebe dich!
    17.1.
    Habe heute vorm Funkhaus einen großen Schneemann aus dreckigem, schwarzem Schnee gebaut. Meine Art, den Kollegen zu zeigen, dass ich in einer bärenstarken Depression stecke. Ja, ich befinde mich in einer Krise. Ich will nicht länger die Lachnummer dieses fragwürdigen Senders sein. Dieser ganze Comedymist steht doch allen bis hier. Was für ein einseitiges Arbeitsleben. Jeder Satz, der aus meinem Mund fällt, zielt darauf ab, andere zumindest zum Schmunzeln zu bringen. Lacht doch sowieso keiner, werden Sie einwenden – aber das will ich auch nicht: der schlechteste Komiker Österreichs werden. Aus. Schluss. Es hat sich ausgekichert. Wer lacht, hat verloren. Tja. Aber was soll ich jetzt beruflich machen? Auf EDV umschulen? Assistent eines Wiener Pathologen werden? Als Bergbauer wieder zurück nach Tirol? Steuerberatungskanzlei aufmachen? Ich hab ja nix gelernt, und eigentlich möchte ich doch bei FM4 bleiben, weil ich mich an meine niederträchtige Kollegenschaft so gewöhnt habe. Verdammt, was soll ich nur tun? Wo ist mein Prozac?
    Habe heute in einem vertraulichen 119-Augen-Gespräch mit der gesamten FM4- Belegschaft über Grissemanns Krise gesprochen. Wundern Sie sich nicht – 119 stimmt, denn Julia Barnes ist nach einem kleinen Dartunfall einäugig. Na egal jetzt, Grissemann hat ja diese fixe Idee, eine ernsthafte berufliche Richtung einzuschlagen, will aber unbedingt bei FM4 bleiben. Er ist wirklich schlecht drauf. Wir haben ihm spitze Gegenstände und Schnürsenkel entzogen. Heute Früh hat er sich mit einer Pistole in die Schläfe geschossen. Er hat enorme Mengen Blut verloren und ein großes Loch im Kopf jetzt, aber sonst ist gottlob nichts weiter passiert. Senderchefin Eigensperger

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