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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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jedenfalls hatte bei der erwähnten Besprechung eine furiose Idee: Grissemann solle Friedhofsgärtner für verstorbene FM4- Mitarbeiter werden. Das ist ein ernsthafter Job mit viel Verantwortung, und garantiert humorfrei! Alle Redakteure, die von uns gehen – egal, ob infolge eines natürlichen Todes oder durch kleines Nachhelfen vom Sensenmann Chefcontroller –, werden auf der Wiese hinterm Funkhaus beigesetzt, und der kleine Österreicher Grissemann ist sozusagen ihr Hausmeister im Jenseits. Tolle Idee, Chef. Sobald der Erste stirbt, wechselt Grissemann den Job. Bis dahin werde ich ihn noch im Salon Helga ertragen müssen.
    18.1.
    Die Arbeit im neuen Jahr hat ein gewisses Maß an Unappetitlichkeit erreicht, über das ich nicht länger schweigen will. Die Kulturlosigkeit diverser Mitarbeiter hat einen unrühmlichen Höhepunkt erreicht, liebes Tagebuch! Nun, es ist nach meinen Recherchen so, dass 79% der Redakteure hier medikamenten- oder drogenabhängig sind. Aufputschende Antidepressiva sind ständige Begleiter. Das wundert niemanden, der Job ist hart, das Klima unmenschlich – und wer ist schon ohne Drogen talentiert genug, eine flotte Radiosendung zu gestalten? Was sich allerdings drei berühmte FM4- Moderatoren, die ich selbstverständlich nicht nenne, sondern diskret abkürze, geleistet haben, ist ein Fall für die Hygienekommission. Die herren Freem., McGi. und Sterm. übergeben sich nämlich in den letzten Wochen nach zu gierigem giftstofflichem Missbrauch in die FM4- Toilette! Ekelhaft. Vom strengen Saubermann Blumenau darauf angesprochen, rechtfertigten sie sich, nur dann die geforderte Leistung bringen zu können, wenn sie ordentlich gedopt seien! Senderchefin Eigensperger entschied wieder mal salomonisch schlau und zog keine Konsequenzen, indem sie, wie sie sich ausdrückte, eine »Kotzen-Nutzen-Rechnung« anstellte. Es ist und bleibt eine fremde, seltsame Welt, hier bei FM4 .
    Liebes Tagebuch, ich bin komplett am Ende. Ein Drogenhund hat heute an mir geschnüffelt. Der Hund ist sofort ins Koma gefallen. Der Arzt, der mich behandelt hat, meinte mit schreckgeweiteten Augen, dass ich etwa so viel Kokain und Speed im Körper habe, wie seit 1960 in Österreich beschlagnahmt wurden. Dabei hasse ich Drogen. Ich mach das alles nur, um fit für FM4 zu sein.
    Das kann doch unmöglich so weitergehen. Mein Gesicht ist durch den massiven Drogenkonsum zur Fratze geworden. Ich sehe mittlerweile aus wie eine Mischung aus Shrek und Keith Richards. Die liebe Scharang hat sich meiner jetzt angenommen. Sie ist die gesündeste von uns allen, ernährt sie sich doch seit 20 Jahren ausschließlich von Apfelkernen und Gurkensaft. Mit ihr zusammen werde ich es schaffen, von dem Teufelszeug wegzukommen. Hoffentlich. Ich habe Angst um mich. Hilfe, ich bin ein Star, holt mich hier raus!
    19.1.
    Neue großartige PR -Idee bei FM4 ! Senderchefin Eigensperger fordert von jedem männlichen Redakteur, sich einen orangefarbenen Vollbart zuzulegen, um den Sender auf der Straße farblich zu repräsentieren. Das FM4- Logo ist ja orangefarben. Seit zwei Wochen herrscht hier strengstes Rasur-Verbot. Und seit gestern färbt Chefcontroller Blumenau persönlich im Badezimmer des Chefs jedem Einzelnen den Bart. Ich – als einziges rothaariges Redaktionsmitglied – hab's relativ gut getroffen. Die Farbe meines Bartes ist von Natur aus beinah orange. Für viele andere Kollegen ist das alles eine demütigende Tortur. Herrn Ramicks stolzer pechschwarzer Rauschebart wird gerade in den Farbtopf getaucht. Ein kurzer scharfer Schlag auf den Hinterkopf beendet die idiotische Prozedur. Die Damen aus der Redaktion lachen sich schief über uns und meinen, wir sähen aus wie Darsteller aus einem geisteskranken Zwergenmusical.
    Ich trage meinen Bart ja, seit ich 14 bin, knielang. Dass er jetzt orangefarben ist, stört mich nicht weiter. Im Gegenteil. Sieht irgendwie ganz exzentrisch aus. Manchmal stört er bei der Arbeit ein bisschen und verheddert sich in den Mikrofonstangen, aber durch den signalfarbenen eineinhalb Meter langen Bart bin ich in Wien endlich Kult geworden, denke ich. Er erhöht mein sexuelles Kapital unendlich, alle Weiber sind ganz scharf drauf, mir durch die Barthaare zu fahren. Nur der ewig mieselsüchtige Grissemann ist wieder mal gegen die tolle Bartidee. Er vermutet, dass die berüchtigte »Jenseits«-Kategorie der strengen Stadtzeitung Falter in diesem Jahr ausschließlich für männliche FM4- Mitarbeiter abonniert ist. Wenn er

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