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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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sich da mal nicht täuscht, der jenseitige Österreicher!
    20.1.
    »Never fuck the company!« oder »Niemals intim im Team!«: eiserne Grundregel in jeder anständigen Firma. Das Ausleben niedrigster Leidenschaften und Instinkte sollte nie-, niemals im Büro stattfinden. Das weiß jedes Kind, und auch du, geliebtes Tagebuch. Und wer bricht diesen Grundsatz jeden Tag aufs Neue? FM4 ! Widerlich, dieses ständige Gevögel auf den Schreibtischen, dieses kolossale Kopulieren auf den Kopierern. Jeder mit jedem! Ich halte das nicht mehr aus. Hier nur ein kleiner Auszug aus dem wahnwitzigen sexuellen Protokoll von gestern Vormittag zwischen 8.00 und 11.30 Uhr: Votava mit Unger auf der Fensterbank, Reich mit Landsgesell vom Sekretariat im Musikarchiv, Stermann mit Fräulein Schönwiese stehend im Chefzimmer, Pfister mit Bauer im Livestudio, beide mit peinlichen Ledermasken, Ostermayer mit Unterweger am Kantinenstammtisch, Zsutty mit Erdmann und Stermann, ein übler Sandwich-Freiluftfick im Raucherhof, Schindler und Lang schamlos in der Sendeleitung. Wie Bonobo-Affen im Viagrarausch!
    Ich will das alles nicht mehr sehen. Mir ist schlecht!
    Senderchefin Eigensperger hat heute in der Krisensitzung jegliche sexuelle Unternehmung innerhalb des Büros unter Strafe gestellt. Grund dafür war einerseits Grissemanns prüde Beschwerde und zum anderen eine Rentnergruppe, die im Rahmen einer Funkhausführung plötzlich auch in den FM4- Räumlichkeiten stand und dem munteren Treiben der schwitzenden Leiber zusehen musste. Drei ältere Damen mit Pelzmützen sind in Ohnmacht gefallen, als sie Larkin und Higazi auf der Liebesschaukel am FM4- Empfang stöhnen sahen. Chefcontroller Blumenau – selbst kein Kind von Traurigkeit – hat in einer heuchlerischen Brandrede den besonders triebstarken männlichen Redakteuren eine chemische Kastration angedroht, die er persönlich durchführen wolle.
    Mein Gott, Liebe und Hass, wie nah liegt das bei FM4 zusammen!
    21.1.
    Die Mitarbeiter kräftiger Statur – wie Zikmund, Zsutty und Stermann – errichteten gestern eine Art Flohmarkt bei FM4 . Ächzend wurden Kisten geschleppt und Stände aufgebaut. Ein simpler Mitarbeiterflohmarkt. Das nichtsnutzigste Zeug aus dem Privatbesitz diverser FM4- Leute wurde feilgeboten: Eine alte blonde Perücke von Mirjam Unger, ein altes Brillenputztuch von Chefcontroller Blumenau, der erste Lippenstift von Luna Luce, usw. usw. Der unnötigste Krempel also, den man sich vorstellen kann.
    Selbstverständlich hat kein Mensch auch nur daran gedacht, irgendwas zu kaufen. Wenn, dann muss man versuchen, das den Fans zu verkaufen, aber doch nicht den Mitarbeitern selbst, flüsterte ich auf Knien rutschend dem Chefcontroller zu; die Schnauze solle ich halten, meinte der, charmant wie immer: » FM4 macht das nur, um endlich seine Marktanteile zu erhöhen.« Aha, so so, schlau schlau. You're not at home, you're at work, baby …
    Mir gefällt der FM4- Flohmarkt ausgezeichnet. Ich liebe diese nostalgisch-verkitschten Basare! Habe fast alles aufgekauft: Fünf alte Unterhosen von Herrn Freeman, an denen ich heute Abend schnüffeln werde, Hauspantoffeln aus Schafwolle vom lieben Herrn Ramick – genau meine Größe! – die erste selbstgekaufte Schallplatte vom Musikchef, Peter Cornelius, »I bin do ka Hampelmann«, wunderbar; und das Prunkstück: ein wunderwunderschöner silberner Heroinlöffel von Slack Hippie! Werde ich auch gleich heute Abend nach dem Abendessen ausprobieren. Auch die Autogrammkarte von Herrn Pulsinger werde ich mir im Copyshop lebensgroß vergrößern lassen und übers Bett hängen. Heute war ein wirklich schöner Tag bei FM4 !
    22.1.
    Shocking, aber wahr, liebes Tagebuch: Noch immer gibt es in Österreich Orte, an denen FM4 nicht zu empfangen ist. Die Reichweite beträgt 98,4%. Das bedeutet, in einigen abgelegenen Käffern kennt man unseren tollen Sender gar nicht! Um diesem Problem Herr zu werden, hat Senderchefin Eigensperger gestern früh drei Mitarbeiter auf die Reise geschickt, diesen hinterm Mond lebenden Menschen FM4 näher zu bringen. Die Redakteure Farkas, Schindler und Schmoll werden in diesen einsamen Dörfern wie Staubsaugervertreter von Haus zu Haus gehen und den Leuten mittels Kassettenrecorder aufgezeichnete FM4- Sendungen vorspielen. Selbstredend stehen sie auch für Fragen aller Art zur Verfügung. Falls sich die Leute begeistert zeigen, muss man nur noch den Umzug in eine Stadt, in der FM4 zu empfangen ist, in die Wege leiten, und schon

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