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Speichelfaeden in der Buttermilch

Speichelfaeden in der Buttermilch

Titel: Speichelfaeden in der Buttermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Stermann , Christoph Grissemann
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sie zertrampelt worden, oder sie haben den Erfrierungstod erleiden müssen. Beim Durchzählen heute Morgen fehlten jedenfalls Chris Kemmler, Albert Farkas, Jenny Blochberger und Mari Lang. Das Menschliche ist nicht so sehr das Problem, aber ihre Arbeitskraft geht natürlich schon schmerzlich ab. Kemmler war der persönliche Pfleger von Herrn Ostermayer, hat ihn im Rollstuhl ins Studio geführt und wieder zurück. Farkas hat sich, wenn alle Sessel bei Krisensitzungen belegt waren, als menschliche Sitzgelegenheit für die Chefin zur Verfügung gestellt und auch immer den Mund brav offengehalten, falls die Chefin keinen Aschenbecher hatte; und Blochberger und Lang – na ja, die beiden waren für den Lichtschalter zuständig. Blochberger hat mit ihrem Zeigefinger morgens im Büro das Licht angemacht, das das Frl. Lang um 24 Uhr mit ihrem Zeigefinger wiederum abgeschaltet hat. Nun, diese Posten werden jetzt frei: Bewerbungen bitte an FM4 , 1136 Wien.
    Entwarnung, liebes Tagebuch, die vier vermissten Mitarbeiter sind wieder aufgetaucht. Der arme Albert Farkas wurde versehentlich von den »Mogwai«-Roadies mit eingepackt. Er liegt jetzt in einem Probekeller in Glasgow neben dem Schlagzeug und wird morgen mit Luftpost nach Wien geschickt. Herr Kemmler ist in ein »Arena«-Erdloch gefallen und liegt mit Erfrierungen 22. Grades im Krankenhaus Lainz. Die beiden Damen Lang und Blochberger wurden vom »Arena-Chef« als Lichttechnikerinnen weg-engagiert. Wir alle sind traurig, dass die Ladies mit den flinken Zeigefingern FM4 verlassen; aber man kann es verstehen, in der Arena verdienen sie das 260fache und sind endlich nicht mehr ganz so unterfordert. Das Licht bei FM4 mach ich jetzt aus!
    26.1.
    Liebes Tagebuch, FM4 hat ja, wie du weißt, ein großes Herz für Minderheiten aller Art. Das Programm ist oft ganz bewusst nicht massentauglich. Aber als heute in der täglichen Krisensitzung eventuelle neue FM4- Sendungen diskutiert wurden, musste ich sehr lachen. Herr Zikmund schlug eine wöchentliche Indianermucke-Show vor. »Der Gesang der Sioux« soll die geile Show heißen. Abgelehnt! Wen soll das denn interessieren? Willst du Minus-Hörerzahlen, Zicke Zikmund? Reiß dich zusammen!
    Auch die Literaturshow »Die besten Lyrikfragmente gehörloser Abtreibungsgegner«, die der durchgedrehte Redakteur Zsutty vorschlug, wurde von allen Seiten kopfschüttelnd verhindert. Wirklich gut fand ich nur meine Sendungsidee. »Der Atem des Meisters« soll die vierstündige Reihe heißen, in der ausschließlich mein Ein- und Ausatmen zu hören ist. Billig zu produzieren, anspruchsvoll und massenkompatibel. Chefin Eigensperger überlegt noch, den »Atem des Meisters« ab Mai statt der »Morning Show« ins Programm zu hieven.
    Auch ich hatte einige schlaue Ideen, als es darum ging, neue Sendungen zu erfinden. Wiederholungen ist das Zauberwort! Das spart Kosten und freut den Hörer. Die » FM4- Classics«. Man wiederholt einfach jeden Tag exakt die Sendungen vom Vortag. »Gute Idee«, meinte die Senderchefin, bis sie draufkam, dass ja dann immer nur das dasselbe läuft. Und das könne man nicht mal dem dumpfbackigsten Hörer zumuten, sagte sie. »Warum eigentlich nicht?«, warf dann der so schlaue wie hinterhältige Blumenau ein – und so denkt man jetzt tatsächlich über meinen Vorschlag nach. Für uns Mitarbeiter wär's ein Segen, wir bräuchten nie mehr zu arbeiten. Na ja, mal sehen, was daraus wird!
    27.1.
    Gestern war Starregisseur Michael Haneke Interviewgast bei FM4 . Sein Film »Wolfszeit« läuft ja dieser Tage an. Das apokalyptische Szenario im FM4- Großraumbüro mit den blassen, abgezehrten Mitarbeitern, dem düsteren Licht und der depressiven Musik, die hier den ganzen Tag läuft, hat ihn sofort begeistert. Als dann Chefcontroller Blumenau auch noch einem zufällig anwesenden Pferd die Kehle durchschnitt, klatschte der Meisterregisseur begeistert in die Hände und flehte uns an, alles so beizubehalten, wie es jetzt sei, keiner möge den Raum verlassen – er hole nur schnell seine Kamera und sei in zehn Minuten wieder da. Wir hielten uns dran. Ist doch toll, endlich mal Statist in einem Haneke-Film sein! Die mit Haneke mitgehoppelte Huppert begann sich eilig zu schminken, und wir warteten gebannt auf Chef Haneke.
    Der kam dann auch tatsächlich, liebes Tagebuch, eine gute Viertelstunde später, eine Filmkamera auf der Schulter. Fünf Stunden lang filmte der Cannes-Preisträger jeden Winkel hier bei FM4 . Dann noch lange

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