Speichelfaeden in der Buttermilch
Verbrechen: er hat damals den Dienstaschenbecher von Dominic Heinzl benutzt. Mein Gott, 25 Jahre hat er bekommen. Ich fürchte mich schon davor, mein Urteil zu hören.
3.2.
Liebes Tagebuch, der große Nachteil eines Alternativsenders ist, dass sich die ambitionierten Bands, die wir »on air« spielen, ständig Geld pumpen. Die sind ja alle so unfassbar arm! Wenn wir ihre Musik spielen, müssen wir ihnen ihre CD s einzeln abkaufen; die wenigsten haben einen Vertrieb, von Plattenfirmen ganz zu schweigen. Mehrere Hip-Hopper schlafen bei FM4 , unzählige Gitarrenpopper gehen bettelnd durchs Funkhaus, am schlimmsten sind Elektronikbands, die sitzen vor unseren Computern, rauchen unsere ausgedämpften Zigarettenkippen und lecken an leeren Kaffeebechern. Die Musikredaktion sieht aus wie ein äthiopisches Flüchtlingslager. Einmal im Jahr müssen wir einigen von ihnen Gewand borgen, bei der Amadeus-Gala, wenn irgendwer von ihnen den Alternative-Award gewinnt, der selbstverständlich sofort versetzt wird. Mensch, das alles hat mit Starglamour so viel zu tun wie McDonald's mit dem Gault-Millaut.
Liebes Tagebuch, es reicht. Ich wurde von einem Dschungelmusiker gefragt, ob ich ihm eine Zahnplombe leihen könnte! Er hat ein Riesenloch im Zahn, vielmehr hat der Arme ein bisschen Zahn im Loch. Natürlich hab ich mir eine meiner größeren Plomben rausgebrochen und ihm geschenkt, aber nervig fand ich's trotzdem. Gestern hab ich ein schönes Bild gesehen, da saßen 20–30 zerlumpte österreichische und deutsche Musiker vor unserem Dienstfernseher und schauten mit Tränen in den Augen »Starmania«. Am fasziniertesten waren sie beim Blick in den Backstagebereich: Säfte und Knabberzeug. Liebes Tagebuch, ich danke dem lieben Gott, dass meine Eltern mich nie gezwungen haben, ein Instrument zu lernen. Be afraid, honey, it's FM4 music.
3.2.
Liebes Tagebuch, um ein bisschen Geld dazuzuverdienen, putzen wir FM4- Mitarbeiter jetzt bei reichen Ö3 - und Ö1 -Mitarbeitern. Das Verdiente wird uns dann zwar vom ORF -Gehalt abgezogen, aber es lohnt sich trotzdem. Ich verdiene bei Andy Knoll am Tag mehr Geld, als ich bei FM4 in der Woche bekomme, obwohl ich nur ein Viertel von dem kriege, was Andy Knolls alte Putzfrau bekam. Beim Andy macht das Putzen richtig Spaß. Er hat eine riesige Wohnung, in der ich mich auf einem Elektroscooter mit Staubwedel in der Hand fortbewege. Lustigerweise hört Andy Knoll privat FM4 . Was man von den meisten FM4- Kollegen nicht behaupten kann. Wenn ich also so durch Knolls 4000-Quadratmeter-Villa düse und im Radio Stuart Freeman quatscht, muss ich immer lachen. Weil ich's in dem Moment so viel besser habe als der arme Stuart. Ich arbeite wenigstens zuhause, wenn's auch nicht meins ist, aber Stuart werkt im menschenverachtenden FM4- Haus. Stuart, you're not at home, you're at work!
Liebes Tagebuch, ich fühle mich gebauchpinselt, weil ich als Putzfrau vom »Diagonal«-Chef arbeiten darf. Ich! Während die anderen alle bei irgendwelchen Unterhaltungstypen waschen und bügeln, darf ich bei Michael Schrott arbeiten, dem früheren »Musicbox«-Chef, einer Legende. Aushilfsweise war ich auch schon bei Ö1 -Chef Treiber, wo ich nach einem Fest mit der Zunge den Teppich auflecken musste. Und bei Radioguru Kos hab ich alle 56.000 Kunstbände Seite für Seite mit einem Mikroskop vom Staub befreit. Ich putze für die intellektuelle Elite und bin stolz darauf. FM4- Wortchef Pieper und die Sumpfisten Edlinger und Ostermayer, die sich ja für ganz besonders klug halten, wurden dazu eingeteilt, die neun Privatklos von Robert Kratky zu reinigen. Entwürdigend. Noch dazu müssen sie es gratis machen. Na ja, dafür wird ihnen dann auch nichts vom normalen ORF -Lohn abgezogen. Ich bin sehr gespannt. Wie es heißt, dürfen wir bald auch bei Fernsehkollegen putzen. Ich würd am liebsten bei Paul Lendvai saubermachen oder bei Hugo Portisch. Das Putzen bei ORF -Kollegen ist das Schönste an der FM4- Arbeit. Ich weiß allerdings nicht, ob das für die Arbeit bei FM4 spricht.
4.2.
Liebes Tagebuch, tatsächlich. Wir können jetzt auch für Fernsehkollegen privat putzen. Gestern Abend wurden die Jobs an uns verteilt. Mein Gott, was für eine Aufregung. Und ich habe einen echten Star gezogen: Arabella Kiesbauer. Die Arabella Kiesbauer. Aus Freude hab ich gleich eine Milka dunkle Vollnuss gegessen. Die ganze Nacht über hab ich in Arabellas 25.000-Quadratmeter-Penthouse geputzt. Falls der ORF mal die Show macht: »Österreich sucht
Weitere Kostenlose Bücher