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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Gedankentätigkeit anzuregen?«
    »Eher um sie zu bremsen«, gestand Martin. »Benutzt ihr das auch?«
    »Wo denkst du hin! Wir haben unsere eigenen Methoden!«, empörte sich die Amöbe heftig. »Andere Dosierungen, andere Mittel …« Der transparente Schlauch ließ sich sanft neben Martin nieder, um dann hinzuzufügen: »Wenn du nichts dagegen hast, erhöhe ich die Zahl der Mediatoren im blauen Labyrinth.«
    »Nur zu, tu dir keinen Zwang an!«, ermunterte Martin ihn. Da er die eigenen Schwächen liebte, nahm er die von anderen stets gelassen hin.
    Derweil Martin am Kognak nuckelte, gluckerte die Amöbe – entweder weil sie Mediatoren produzierte oder aus einem anderen physiologischen Grund.
    »Du hast nur noch sehr wenig von der alkoholischen Flüssigkeit«, bemerkte Pawlik. »Du bist mit fast leeren Händen hierhergekommen.«
    »Das hat sich so ergeben«, erklärte Martin.
    »Gib mir das Gefäß.« Die Amöbe streckte die Pseudohand aus.
    Zögernd reichte Martin ihr die Flasche.
    Ein schmaler transparenter Fühler schlängelte sich in den Flaschenhals, berührte die Flüssigkeit und fuhr zurück. »Das ist kein reiner Alkohol«, stellte die Amöbe nach kurzem Nachdenken klar. »Das sind noch viele Ingredienzien. Brauchst du die?«
    »Sie sind angenehm«, bekannte Martin.
    »Das macht die Sache schwieriger …«, kommentierte Pawlik. Trotzdem gab er die Flasche nicht zurück. Durch den farblosen Körper lief ein Zittern, zwischen den Organellen wirbelten trübe Strudel auf, die zum Fühler drängten und in die Flasche strömten. Wie gebannt beobachtete Martin den lebenden Destillierapparat. Schließlich nahm er aus der Pseudohand die Flasche entgegen und schnupperte argwöhnisch daran. Dann schaute er die Amöbe an.
    »Die Zusammensetzung ist absolut unverändert«, erklärte sie. »Trink.«
    Martin zauderte.
    »Das widert dich an?«, verwunderte sich die Amöbe. »Aber ihr bringt doch das Fleisch von Lebewesen herunter, den Saft von Pflanzen, die Ausscheidungen von Insekten … Was soll an dieser Flüssigkeit schlechter sein?«
    »Du bist intelligent«, sagte Martin finster. »Das ist … irgendwie … wie Kannibalismus …«
    »Glaub mir, zweihundert Gramm meiner Masse verliere ich ohne jeden Schmerz«, teilte ihm die Amöbe mit. »Habt ihr übrigens schon die Suppe gegessen?«
    Martin erinnerte sich an die zum Mittagessen servierte püreeartige Suppe. Vom Geschmack her hatte sie an Erbsensuppe mit gutem, frischem Rindfleisch erinnert, in der knackige Stückchen schwammen, bei denen es sich entweder um Zwieback oder um Gemüse handelte … Danach hatte es Fleisch gegeben, ein fettiges, aber weiches, aderloses Steak …
    »O Gott …«, stieß er bloß aus. »Ihr synthetisiert das Essen aus euerm Körper?«
    »Das ist am einfachsten«, versicherte Pawlik. Dann lachte er glucksend.
    Vermutlich zwang ebendieses Gelächter Martin, die Flasche an die Lippen zu setzen und einen ordentlichen Schluck zu nehmen.
    Achtamar. Die besten armenischen Weinkellereien konnten da vor Neid erblassen.
    »Ich kann Essen oder Trinken nicht nach deinen Beschreibungen synthetisieren«, erklärte die Amöbe. »Aber nach einem Muster geht es problemlos.«
    »Weiß Irina, was sie isst?«, fragte Martin.
    »Gewiss. Sie versteht das. Außerdem ist es die einzige Möglichkeit, euch vor unserem Wasser zu schützen.«
    Martin beruhigte sich und nahm einen weiteren Schluck Kognak. »Sei’s drum«, stieß er aus. »Morgen fahre ich nach Hause. Ihr könnt von mir aus losfliegen, um die Schließer zu bombardieren.«
    »Wir haben keineswegs die Absicht, sie zu bombardieren«, empörte sich Pawlik. »Ja … eine leichte Drohung, wenn es sein muss. Vor allem wollen wir uns aber ein Bild von der Situation machen.«
    »Das ist alles so dumm«, blaffte Martin. »Dumm und unvernünftig. Wie kommt ihr nur darauf, dass bereits einmal ein Transportnetz aufgebaut und zerstört worden ist und sich das Ganze jetzt wiederholt?«
    Die Pseudohand tätschelte ihm die Schulter. »Sieh dir einmal unsere Welt an, Martin.«
    Martin ließ den Blick schweifen. »Den ganzen Abend über tue ich nichts anderes«, knurrte Martin. »Was soll ich denn sehen?«
    »Denk nach! Was erscheint dir seltsam und unnormal?«
    »Ihr«, antwortete Martin ohne nachzudenken.
    »Was noch? Und warum?«
    »Es gibt keine intelligenten Einzeller!«, platzte Martin heraus. »So etwas wie sie … wie ihr kann sich nicht entwickeln! Vor allem, da es auf euerm Planeten vielzellige Pflanzen

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