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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Menschen auf einen anderen Planeten oder erstellen sie in einer neuen Welt eine genaue Kopie von ihm, während sie das Original vernichten? Pawliks Worten zufolge transportierten sie den gesamten Raum, das in ihm befindliche intelligente Wesen inklusive. Wenn Irina jedoch siebenmal kopiert worden war, dann …
    Oder erfassten die gängigen Begriffe der Menschen dieses Phänomen gar nicht? Existierte zwischen dem Transport an einen Punkt im Raum und dem an sieben unterschiedliche Punkte kein prinzipieller Unterschied? Martin war kein Physiker – aber vermutlich hätte auch der genialste Physiker auf der Erde diese Frage nicht beantworten können. Ein zu tiefer Abgrund trennte Menschen und Schließer.
    »Aber wie hast du von deinen Duplikaten erfahren?«, fragte Martin und sprach dieser Irina unwillkürlich die Rolle des Originals zu.
    »Ich habe sie gespürt«, sagte Irina, um sich sogleich zu korrigieren: »Wir haben einander gespürt. Das ist …« Verärgert runzelte sie die Stirn, deutete mit den Fingern wilde Wellen an, als habe man sie gebeten zu erklären, was Dünung ist. »Es ist …«
    »Ein Gedanke? Ein Traum? Ein Gespräch?«, soufflierte Martin.
    »Alles zusammen und etwas ganz anderes. Am Anfang habe ich geglaubt, ich sei verrückt geworden.« Irotschka lächelte. »Ein Schizophrener würde vermutlich genau wissen, was ich meine … Ich kann mich unterhalten …« Abermals stockte sie kurz. »Nein, nicht unterhalten … gleichzeitig mit ihnen denken …«
    »Ständig? Du bist jetzt nicht allein hier, sondern ihr seid alle drei da?«, rief Martin entsetzt.
    »Jetzt bin ich allein. Das passiert manchmal, in letzter Zeit immer öfter. Als die Mädchen gestorben sind …« Irinas Stimme zitterte nicht. »… habe ich alles mit ihnen durchlebt. All die Tage, an denen wir getrennt waren. Insofern leben sie in mir fort. Ich war auf Bibliothek, Martin. Ich war auf Prärie 2. Und auf Arank und auf Fakiu. Ich weiß, dass ich in diesem Körper Bessar nie verlassen habe … Aber ich habe auch ihr Leben gelebt. Bis zum Tod.«
    Ohne eine weitere Frage zu stellen, griff Martin in seine Tasche, holte das Fläschchen Kognak heraus und trank einen Schluck.
    »Gib mir auch was«, bat Irina. Beherzt nahm sie einen ordentlichen Schluck, unterdrückte den Husten und gab die Flasche zurück. Ihre Ohrläppchen färbten sich sofort hochrot ein – auf das Trinken verstand sie sich nicht allzu gut.
    »Angeblich soll vor dem Tod das ganze Leben vor deinen Augen ablaufen«, sagte Martin. »Ist es so?«
    »Hm«, brummte Irina, die sich immer noch nicht traute durchzuatmen.
    »Vielleicht leben wir ja auch gar nicht?«, fragte Martin. »Wir leben nicht, sondern sterben, und unser Leben braust an uns vorbei … und nur manchmal flüstert das Gedächtnis: Das ist alles schon vorbei, vorbei, vorbei … Und gerade wälze ich mich in einem Krankenbett, verlebt und entkräftet, oder versinke mit einer Kugel in der Brust in einem außerirdischen Sumpf … und vor meinen Augen läuft der Trailer zu meinem vergangenen Leben ab.«
    »Jetzt reicht’s aber!« Irina erschauerte. »Noch wälze ich mich nirgends. Ich bin auf Bessar. Ich möchte mir die Schließer in ihrer Höhle angucken. Das beenden, was ich angefangen habe … und was die anderen Mädchen nicht zu Ende gebracht haben. Dann kehre ich nach Hause zurück, lerne einen netten Mann kennen und gebäre ihm ein paar Kinder – solange die echte Unsterblichkeit noch nicht erfunden und es noch nicht verboten ist, sich zu vermehren.«
    »Ist das dein Minimalprogramm?«, wollte Martin wissen.
    »Jawoll!«, antwortete Irina nachdrücklich.
    »Ein gutes Programm«, beteuerte Martin ernst. »Vor allem gefällt mir der Teil mit der Zeugung einiger Kinder, solange man die echte Unsterblichkeit noch nicht erfunden hat. Wenn wir jetzt schon einmal ernsthaft miteinander reden, Irina, wieso kommst du dazu, die Schließer herauszufordern?«
    »Das haben wir dir doch schon erklärt«, erwiderte Irina, wobei sie offenbar sich und den Bessarianer meinte.
    »Bis auf den Verdacht, die Schließer würden eine fremde Technologie benutzen, sehe ich keinen triftigen Grund.«
    »Die Schließer verändern die Welt. Die Galaxis.« Irina seufzte. »Stell dir einmal vor, Martin, die Menschen hätten, als sie zum ersten Mal auf den Mars kamen, dort riesige Raumfahrtzentren samt Schiffen für den interstellaren Flug vorgefunden. Auf jedem Schiff hätte es mehrere Stationen gegeben. Sowie eine Unmenge an weiteren

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