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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Atmosphäre, die Gravitation …« Pawlik grunzte. »Ihnen schenken wir keine Aufmerksamkeit. Sie ihrerseits interessieren sich auch nicht sehr für uns … Die Hälfte aller Rassen sind jedoch ehemalige Humanoide. Wie wir.«
    »Was?«, fragte Martin entgeistert.
    »Wie wir, die Bessarianer!«, bekräftigte die Amöbe. »Unsere Schöpfer waren Humanoide. Unser Planet glich deiner Welt. Dann änderte sich alles – und wir entstanden. Andere Rassen veränderten sich auf andere Weise. Kennst du die Welt der Dio-Daos?«
    »Ja.«
    »Wie hätte sich auf natürliche Weise eine solch unnormale Form intelligenten Lebens entwickeln sollen?«, fragte die Amöbe empört. »Die geringe Lebensdauer, das erbliche Gedächtnis, der Asketismus und die Selbstbeschränkung bei gleichzeitiger Existenz von hoher Technologie … Ist dir ihre krankhafte Abneigung gegenüber biologischem Schmutz aufgefallen?«
    »Die Forderung, seine Bedürfnisse nur in Toiletten zu verrichten?«, lachte Martin. »Komm schon … das ist normale Hygiene oder Ekel.«
    »Das ist nur eine der äußeren Erscheinungsformen«, fiel ihm Pawlik ins Wort. »Außerdem haben sie eine abfalllose Produktion entwickelt. Ihre Bedürfnisse schränken sie ebenfalls aus der Sorge heraus ein, sie könnten die Umwelt verschmutzen. Die Welt der Dio-Daos muss in der Vergangenheit von einer globalen ökologischen Katastrophe heimgesucht worden sein. Die Lebensformen, die sie überlebt haben – das müssen sehr wenige gewesen sein, auf dem ganzen Planeten nicht mehr als fünfhundert Arten von Lebewesen –, beschleunigten den Stoffwechsel und erwarben ein erbliches Gedächtnis. Eine klare Absage an die Evolution, oder?«
    Martin zuckte mit den Schultern.
    »Muss ich dich noch an Ioll erinnern? Zweibeinige, zweiarmige Wesen, die stark an Menschen erinnern …«
    Obgleich Martin durch den Kopf ging, dass nur aus Sicht einer Amöbe die Iollier Menschen ähneln konnten, widersprach er nicht.
    »Aber sie sind mit der Nabelschnur an die Mutter gefesselt! Das ganze Leben lang!« Die Amöbe erhob die Stimme. »Das widerspricht jeglichen Zielen der Arterhaltung! Das ist unnormal! Das ist widerwärtig! Das ist unbequem! Sie aber leben von der Geburt bis zum Tod in der Familie der Mutter! Wie konnte eine solche Lebensform entstehen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Aber ich weiß es!«, trumpfte die Amöbe auf. »Ihr Planet machte seine eigene Katastrophe durch. Die dortigen Bedingungen änderten sich so, dass nur Kollektivorganismen überleben konnten.«
    »Du weißt sehr gut über andere Rassen Bescheid«, konstatierte Martin.
    »Das ist mein Beruf. Ich bin Spezialist für Kontakte mit der Gruppe von humanoiden Rassen«, gestand die Amöbe bescheiden. »Also, Martin! Die erste Zerstörung des Transportnetzes betraf nur Zivilisationen auf Planeten des Typs wie die, auf denen du und ich leben. Alle Kohlenstoffverbindungen bildenden, Sauerstoff atmenden Lebewesen auf Wassergrundlage wurden manipuliert. Manche weniger: Die Aranker, die Menschen und Geddarn lassen sich kaum voneinander unterscheiden. Manche mehr: In unserem Fall ist die Urrasse schlicht ausgelöscht worden, nachdem es ihr gelungen war, uns zu erschaffen …«
    »Willst du damit sagen, das wurde absichtlich getan?«, rief Martin aus. »Das war nicht nur eine Folge der Zerstörung der interstellaren Verbindungen, sondern ein bewusst durchgeführtes Experiment an intelligenten Rassen?«
    »Selbstverständlich.«
    »Humbug«, sagte Martin. »Weshalb hätte man das tun sollen? Ein natürliches Chaos nach dem Verschwinden der Hochtechnologie, Kriege, Barbarei, Epidemie – das könnte ich nachvollziehen … Aber ein bewusst durchgeführtes Experiment?«
    »Weshalb? Vor Milliarden Jahren wogte eine Welle des Lebens über unsere Galaxis«, führte Pawlik aus. »Ich werde nicht darüber spekulieren, wer oder was der Grund dafür war. Ich denke, dir ist ohnehin klar, dass du warmes Dreckwasser noch so lange bestrahlen und noch so viel Strom hindurchjagen kannst – aus anorganischem Stoff gewinnst du kein Leben. Eine Zelle ist zu kompliziert, als dass es sich dabei um einen Zufall handeln könnte! Aber sie ist entstanden … und das Leben entwickelte sich. Es legte sich Verstand zu. Es begriff die Welt. Weshalb?«
    »Das ist das natürliche Bedürfnis des Verstands. Der Wunsch, die ihn umgebende Welt zu erschließen …«
    »Quatsch!«, fiel ihm die Amöbe scharf ins Wort. »Das einzige natürliche Bedürfnis des Verstands ist es, seine

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