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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Martins Bewusstsein. Genau in dem Moment, als die Frau aufhörte zu schreien und fragte: »Warum? Weshalb? Ihr seid doch beide Idioten!«
    Martin sah sie an. »Damit die anderen Schiffe der Schließer Bessar und die Erde nicht in Schutt und Asche legen«, erklärte er aufrichtig. »Er versteht die Mehrzeller nicht. Er weiß nicht, was Rache ist.«
    Irina schloss die Augen. Sie nickte. »Ich will hier weg«, flüsterte sie. »Martin … irgendetwas geht hier vor …«
    »Menschen!«, wandte sich Petenka besorgt an die beiden. »Vermutlich schaffe ich es nicht, euch zu diesem Planeten zurückzubringen. Verzeiht. Die Metallstückchen, die du abgefeuert hast, haben die schwarzen Schiffe erreicht und sind gegen die Verschalung geprallt. Es kommt Leben in die Schiffe.«
    Martin sah genau in dem Moment zu der als Bildschirm fungierenden Kuppel hinauf, als die Girlanden der schwarzen Schiffe sich in ein gespenstisches weißes Licht hüllten. Pawlik gluckerte munter, das Visier des Beobachtungsgeräts huschte über den Schirm, hielt nirgends inne, dem Blick eines Säuglings gleich, der noch keinen Verstand erworben hat.
    Es war eben kein Friedhof, der da vor ihnen lag. Wie lächerlich diese Bleikugeln auch gewesen sein mochten – als sie gegen die Schiffe prallten, hielten unbekannte Mechanismen diese Schüsse für einen Angriff.
    »Oi, joi, joi«, schrie Petenka. »Wir müssen uns hauen! Und dann sterben wir! Wir werden alle sterben! Das Mädchen stirbt nicht, von ihr gibt es noch viele. Aber wir sind wenige …«
    Das Schiff kippte zur Seite. Und wenn das Universum sich diesmal auch nicht bewegte, die Beschleunigung rollte wie eine Walze über Martins Körper. Es zog sie zu den schwarzen Schiffen hin, die in totem Glanz funkelten. Kam es Martin nur so vor, oder spaltete sich ein Raumschiff tatsächlich in zwei akkurate Hälfte, um dann in unterschiedliche Richtungen auseinanderzufliegen?
    »Martin! Martin!«
    Er sah Irina an – und wusste, was sie sagen würde.
    »Ich habe Angst«, schrie die junge Frau. »Ich habe Angst vor diesen Schiffen!«
    »Nein!«, entgegnete Martin. »Nein! Noch haben wir eine Chance!«
    »Ich will nicht!«, jammerte Irina, die in ihrem unnachgiebigen Kokon krampfhaft zuckte. »Ich will da nicht hin! Helft mir! Macht doch irgendwas!«
    »Soll ich dir helfen, keine Angst mehr zu haben?«, fragte Petenka aufgekratzt. »Nie wieder?«
    »Ja«, schrie Irina.
    Martin zielte auf Petenka, doch das Schiff schwankte zu stark, als dass er das blaue Labyrinth des Bessarianers beim ersten Schuss treffen könnte.
    Dann schrie Irina auf.
    Und anschließend schlug etwas so heftig gegen das Schiff, dass Martin das Bewusstsein verlor.

Sechster Teil
    Indigo

Prolog
     
    Der Mensch kennt seit Urzeiten die Angst vor dem Dunklen. Manch einer ist von ihr befreit worden, manch einer hat sie erfolgreich bekämpft, doch manch einer verkraftet die Dunkelheit einfach nicht, verfällt in Panik und läuft ruhelos umher.
    Martin mochte Dunkelheit einfach nicht. Er vermutete in dunklen Ecken keine sich verbergenden Banditen und Monster, und er liebte es, durch die schlafende Stadt zu schlendern oder nachts im unergründlichen Meer zu baden, wenn ihm als einzige Orientierung die tosende Brandung und die Sterne am Himmel blieben. Jene unvermeidliche Negation, die die Dunkelheit mit sich brachte, behagte ihm allerdings nicht. Denn in erster Linie bedeutet Dunkelheit die Verweigerung des Rechts, etwas zu sehen.
    Auch jetzt, da er in undurchdringlicher Finsternis an einem unbekannten Ort saß und wer weiß worauf wartete, geriet Martin nicht in Panik. In seiner Zelle – und wie sollte er den kleinen, dunklen verschlossenen Raum sonst bezeichnen? – hatte Martin bereits die weichen Wände und den nachgiebigen Boden erkundend abgetastet. An die Decke reichte er nicht heran. An den Wänden hatte er keine Fugen oder Hinweise auf Türen registriert.
    An einem Umstand hegte der Gefangene indes keinen Zweifel: Irgendwo hinter diesen weichen Wänden hielten sich die Schließer auf.
    Momentan dachte Martin an Irina. An jene Hysterie, in die die junge Frau nach dem Angriff der schwarzen Schiffe geraten war.
    Offen gestanden, hatte ihn diese Hysterie befremdet. Als sein Verstand begriff, dass sich Tausende gigantischer Schiffe auf sie zubewegten, von denen vermutlich jedes einzelne in der Lage war, einen ganzen Planeten zu zerstören, hatte er sich in keiner Weise gefürchtet. Zu groß waren die Maßstäbe des Ganzen. Ein auf sein Gesicht

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