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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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dachte Martin über das Gespräch mit Lergassi-kan nach. Der Beamte hatte ihm einen Gleiter und einen Referenten als Piloten und Leibwächter in Personalunion zur Verfügung gestellt. Der junge Hatti, wiewohl seine Kränkung nicht verhehlend, hatte es sich nicht nehmen lassen, den Erdenbewohner ebenfalls zu begleiten. Ein Gespräch knüpfte er jedoch nicht an.
    Lergassi-kans Worte speisten sich natürlich nicht ausschließlich aus der Psychologie seiner Rasse. Mochte man die Aranker auch für noch so seltsam halten, die unter dem Gleiter geschwind dahinhuschende Stadt war einfach fabelhaft. Eine der vielen Städte Aranks. Eine Stadt, in der es riesige Gebäude und wilde, bewusst vernachlässigte Parks gab. Eine Stadt, die einen Großteil der Bedürfnisse ihrer Einwohner kostenlos befriedigte. Eine Stadt, in der Verbrechen selten und die Bewohner friedliebend waren … Selbst der Attentatsversuch schmälerte nicht den Respekt, den Martin dieser Rasse zollte.
    Was bildeten sich die Erdlinge also ein, wenn sie auf diese ihre ruhigen, selbstsicheren und glücklichen intelligenten Brüder schauten? Waren sie stolz auf die Jahrtausende alten Überlegungen zum Sinn des Lebens? Wie viel Blut war wegen dieser Überlegungen vergossen worden, derweil die Aranker ihre Welt aufbauten … Beriefen sich die Erdenmenschen etwa auf ihre Spiritualität, die es ihnen erlaubte, an Gott zu glauben und über Unergründliches zu grübeln? Allein, welche Ergebnisse zeitigte diese Spiritualität?
    Es wäre einfacher gewesen, wenn die Aranker sich als emotionslos und hartherzig herausgestellt hätten. Es wäre einfacher gewesen, wenn sie keine Liebe und kein Mitgefühl gekannt hätten, weder zu Freundschaft noch zum Träumen imstande gewesen wären … Doch all das vermochten sie – und zwar nicht schlechter als die Menschen! Technokraten fanden auf dem Planeten der Aranker ihre Realität gewordenen Träume, Naturphilosophen gerieten ob der endlosen Weiten wilder Natur und der patriarchalen Bräuche in den landwirtschaftlichen Gegenden in Verzückung, Wissenschaftler neideten ihnen die exzellenten Labors, Kommunisten bejubelten den Triumph des entwickelten Sozialismus auf Arank und Abenteurer lobten das Weltraumprogramm der Aranker über den grünen Klee, das entgegen dem gesunden Menschenverstand selbst nach der Ankunft der Schließer nicht eingestellt wurde. Selbst Isolationisten und Xenophobe jeglicher Couleur äußerten sich wohlwollend über die Vorsicht, welche die Aranker gegenüber den Geschenken der Schließer an den Tag legten!
    Musste folglich die Geschichte aller anderen Zivilisationen in der Galaxis als Fehler gelten? Hatten nur die Aranker, die niemals nach dem Sinn des Lebens fragten, es geschafft, ihn zu finden? Darin hallte etwas von römischen Stoikern wider, von den griechischen Zynikern … Die Aranker schienen freilich nach wie vor in jener glücklichen und wolkenlosen Kindheit zu verharren, in der ein Mensch noch nicht an den eigenen Tod glaubt, nicht nach der Zukunft fragt, sich nicht an die Vergangenheit erinnert und glücklich der Gegenwart lebt …
    »Hatti«, wandte sich Martin an den zwischen ihm und dem Piloten sitzenden Jungen, der ihn daraufhin fragend ansah. »Da du dich schon einmal für Xenopsychologie begeisterst, musst du doch etwas über die Existenz der Religion wissen.«
    »Ja, natürlich.« Der Junge wurde munter. »Der Glaube an den Schöpfer aller Dinge ist ein immens interessantes Phänomen. Alle Rassen bis auf die Schließer, von denen wir nichts wissen, und unsere Zivilisation, die in ihrer Art einzigartig ist, kennen es.«
    »Und was denkst du darüber?«, fragte Martin.
    »Dass es sehr interessant ist!«, kam Hatti in Fahrt. »Selbstverständlich ist der Glaube aufs Engste mit dem Verständnis vom Sinn des Leben verbunden, aus ebendiesem Grund hatte unsere Rasse auch niemals eine eigene Mythologie. Da wir diese Frage von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachten, sind wir gezwungen, den agnostischen Charakter des Problems anzuerkennen. Da diese Frage also nicht beantwortet werden kann, wäre es müßig, sich tiefgründig mit ihr zu befassen. Bei den meisten Rassen spielt der Glaube eine bedeutsame Rolle als psychotherapeutischer und pädagogischer Faktor, insofern handelt es sich bei ihm um eine positive Erscheinung.«
    »Aber du selbst glaubst nicht an Gott, an ein Leben nach dem Tod …«, tastete sich Martin bedachtsam vor.
    »In dem Moment, da ich sterbe, mein Leben als

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