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Spektrum

Spektrum

Titel: Spektrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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»Mir ist klar, dass dich dieses höchst interessante und deine Entwicklung fördernde Abenteuer lockt, aber du würdest unserem Gast nur zur Last fallen.«
    Flehend sah der Junge zu Martin hinüber, der sich anschicken musste, so zu tun, als verstünde er diesen Blick nicht.
    »Das wäre es dann wohl …«, schloss Lergassi. »Es war mir eine Freude, Ihnen behilflich sein zu können, verehrter Gast!«
    Damit endete die Audienz, und Martin erhob sich. Etwas brannte ihm freilich noch auf der Zunge. Deshalb sagte er: »Verzeihen Sie die Neugier, Herr Lergassi … Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?«
    »Selbstverständlich«, meinte der Beamte lächelnd.
    »Physiologisch sind unsere Rassen einander sehr ähnlich, aber psychologisch unterscheiden sie sich in vielen Aspekten …«
    Zustimmend nickte Lergassi-kan.
    »Sagen Sie«, fuhr Martin fort, »wären Sie wirklich bereit, Ihren kleinen Sohn mit einem unbekannten Fremdplanetarier, auf den ein mysteriöser Verbrecher Jagd macht, in eine andere Stadt reisen zu lassen?«
    »Wollen Sie damit sagen, Sie möchten ihn mitnehmen?«, verwunderte sich Lergassi. »Also, wenn Sie mich fragen, ist das der Beginn einer wunderbaren Freundschaft …«
    »Nein, nein«, widersprach Martin rasch, sobald er gewahrte, wie Hatti Interesse zeigte. »Ich hielte das für unklug … und … äh … nicht für ein Beispiel vorbildlichen Verhaltens! Denn die natürliche Angst um sein Leben und die Sicherheit …«
    »Ah …«, nickte Lergassi-kan. »Selbstverständlich würde ich mir große Sorgen machen. Hatti ist mein einziger Sohn. Aber der seiner Entwicklung dienliche Aspekt eines solchen Abenteuers überwöge die mögliche Gefahr für sein Leben. Insofern kann hier einzig Ihre Bequemlichkeit den Ausschlag geben.«
    »Nein!« Martin schüttelte den Kopf. »Ich habe mich schlecht ausgedrückt … Auf der Erde würde jeder Vater, wenn er psychisch gesund ist, versuchen, seine Nachkommen gegen alle noch so geringen, ja, selbst gegen hypothetische Gefahren zu schützen …«
    »Das Leben ist voller Gefahren«, antwortete Lergassi philosophisch. »Wenn die Automatik eines Gleiters versagt, stürzen Sie aus großer Höhe ab. Sie gehen auf Jagd, und das Wild erweist sich als listiger als Sie. Die Ärzte erkennen einen mutierten Virenstamm nicht, sodass Sie sterben. Wie kann man sich um hypothetische Lebensgefahren Gedanken machen? Man muss die realen Probleme lösen!«
    »Sagen Sie, Lergassi, hat Ihre Rasse wirklich keinen Begriff wie den vom Sinn des Lebens?«, tastete sich Martin behutsam vor.
    Lergassi-kan brach in schallendes Gelächter aus. Die Sekretärin kicherte leise. Die Referenten verstanden offenbar kein Touristisch und sahen ihren Chef befremdet an. Selbst der finster dreinblickende Hatti, von Martins Ablehnung getroffen, lachte leise und herzhaft.
    »Martin …« Lergassi-kan legte ihm die Hand auf die Schulter. »Sie machen den üblichen Fehler, der für viele Rassen charakteristisch ist … Das Leben selbst ist der Sinn und der Kern unserer Existenz. Der Sinn des Lebens – was soll das sein?«
    »Vielleicht der Sinn des Sinns?«, fuhr Martin fort. »Sie müssen entschuldigen, wenn ich Sie verletzt haben sollte …«
    Diese Worte riefen erst recht unbändiges Gelächter hervor. Die Sekretärin gab den Referenten den Dialog in singendem Tonfall wider, worauf auch die drei vierschrötigen Männer, die sittsam nebeneinander auf einem Sofa an der Wand saßen, vergeblich versuchten, ihr Lachen zurückzuhalten.
    »Nein, Martin, Sie sind mir einer …«, brachte Lergassi-kan hervor. »Sie haben mich nicht beleidigt. Sie haben vermutlich den Eindruck, unserer Rasse fehle etwas, oder? Dass es uns an etwas Existenziellem und Interessantem gebreche?«
    Verschämt nickte Martin.
    »Wir hingegen haben den Eindruck …«, setzte Lergassi-kan an, wandte sich dann jedoch an seinen Sohn, dem er befahl: »Halt dir die Ohren zu und hör weg!«
    Gehorsam hielt sich der Junge die Ohren zu.
    »Wir hingegen haben den Eindruck«, fuhr Lergassi-kan fort, »dass Sie es sind, die entstellt sind. Denn Sie tragen etwas Überflüssiges mit sich herum, dessen man sich schämen sollte, eine Art Schwanz, der Ihnen aus der Stirn herauswächst.«
    »Und es interessiert Sie wirklich nicht, wie es ist, mit diesem Ding an der Stirn zu leben?«, fragte Martin leicht erbost.
    »Ich stelle es mir nicht sehr komfortabel vor«, antwortete Lergassi-kan mit einem Lächeln.

Zwei
     
    Den ganzen Weg zum Flughafen

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