Spektrum
Lergassi-kan die Augenbrauen hoch.
»Er kommt doch von einem anderen Planeten …«, rief der Junge seinem Vater tadelnd in Erinnerung.
»Ja, und?« Der Beamte runzelte die Stirn. »Ach ja … Als Opfer einer Handlung von maximaler Feindseligkeit haben Sie das Recht auf das gesamte Eigentum des Verbrechers, seine Ehre und Würde, seine intellektuellen Fähigkeiten, seine Kinder und Sexualpartner.«
»Streng geht es bei Ihnen zu«, sagte Martin bloß.
»Selbstverständlich«, bestätigte Lergassi-kan. »Natürlich steht es Ihnen frei, den Teil der Kompensationen abzulehnen, den Sie nicht brauchen können. Was sollten Sie beispielsweise mit einem schlechten Ruf anfangen? Wenn der Verbrecher sich jedoch als Künstler oder Philanthrop hervorgetan hat, könnten sich Ihnen bemerkenswerte Perspektiven eröffnen. Ich erinnere mich an einen Präzedenzfall, als ein Erfinder …«
»Papa«, warf Hatti leise ein.
»Ja, sicher, entschuldigen Sie.« Der Beamte nickte. »Gut, momentan können wir Ihnen nur die von dem Verbrecher zurückgelassene Waffe anbieten. Dies ist insofern ein sonderbarer Fall, als Sie als Person fremdplanetaren Ursprungs nicht befugt sind, eine High-Tech-Waffe zu besitzen. Aber die Rechte der Persönlichkeit stehen über den Gesetzen des Staates … Ich werde Ihnen die Genehmigung unterschreiben.«
»Was soll ich jetzt tun, Herr Lergassi-kan?«, fragte Martin.
»Lassen wir doch diese Förmlichkeiten«, meinte der Beamte stirnrunzelnd. »Sie sind ein Freund meines Sohnes und damit auch mein Freund. Nennen Sie mich einfach Lergassi. Wo drückt Sie denn der Schuh, Martin?«
»Nach wie vor an derselben Stelle«, erklärte Martin. »Man hat versucht, mich umzubringen. Ich fürchte um mein Leben.«
»Das ist eine vernünftige Einstellung«, lobte Lergassi-kan. »Ich könnte Ihnen bewaffneten Schutz zur Verfügung stellen. Selbstverständlich nur innerhalb unserer Stadt und in den angrenzenden Gebieten, aber das sind ganz wundervolle Orte! Die herrlichen Lazwik-Seen, der Adano-Wasserfall, an dem bis heute eindrucksvolle uralte Zeremonien durchgeführt werden, die Kreidefelsen, das alte Atomtestgelände, der Meeresstrand mit den galaxisweit bekannten Kurorten …«
»Ich muss aber in eine andere Stadt«, gestand Martin.
Der Beamte runzelte die Stirn. »In welche denn?«, wollte er wissen.
»Tirianth.«
»Eine selten unglückliche Wahl«, seufzte Herr Lergassi-kan. »In einer ganzen Reihe von Städten hätte ich Ihnen meine Unterstützung offerieren können, aber in Tirianth …« Er verzog das Gesicht. »Sind Sie sicher, dass Sie diese Kloake besuchen wollen?«
»Ich bin von der Erde hier hergekommen, um eine junge Frau zu suchen, die sich ebendort aufhält«, erklärte Martin. »Deshalb muss ich nach Tirianth.«
Lergassi-kan sah seinen Sohn an und hob wie ein Oberlehrer den Finger. »Hatti!«, verlangte er nach Aufmerksamkeit. »Hier hast du ein Beispiel für vorbildliches Verhalten, das uns das Leben selbst gibt! Diese Liebe ignoriert jede Gefahr und erhebt sich über die niederen Selbsterhaltungsinstinkte! Ich erlaube mir kein Urteil darüber, ob die Entscheidung unseres Gasts gerechtfertigt ist, aber du solltest dir dieses Verhalten einprägen!«
»Ganz bestimmt, Papa«, versicherte der Junge.
»Was kann ich nun für Sie tun …«, sinnierte Lergassi-kan laut. »Die Waffe … ist nicht schlecht, ganz gewiss nicht … Sie machen den Eindruck eines kühnen Menschen … Mussten Sie schon einmal intelligente Lebewesen umbringen?«
Martin seufzte. »Ja«, antwortete er ehrlich.
»Fabelhaft! Selbstverständlich nicht die Tatsache als solche, aber Ihre Fähigkeit zur Selbstverteidigung. Wäre Ihnen mit einer finanziellen Kompensation von der Stadt gedient? Das würde Ihren moralischen Prinzipien doch nicht zuwiderlaufen?«
»Nein«, sagte Martin.
»Hatti!«, wandte sich der Beamte abermals an den Jungen. »Hier hast du ein weiteres Beispiel vorbildlichen Verhaltens! In kritischen Situationen muss ein intelligentes Wesen traditionelle moralische Normen überwinden und sich auf das eigene Überleben konzentrieren.«
»Ich werde es mir merken, Papa«, beteuerte der Junge auch diesmal.
»Was noch?«, brütete Lergassi. »Hier in der Stadt genießen Sie Schutz … Aber wenn man im Flugzeug ein weiteres Attentat auf Sie verübt … Gut. Wir werden Sie heimlich und völlig allein reisen lassen.«
»Ich möchte Martin begleiten«, mischte sich Hatti ein.
»Nein!« Der Beamte schüttelte den Kopf.
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