Spekulation in Bonn
Tod durch Erhängen. Wir ermitteln in der Wohnung des Opfers und in der Firma GeDaSi. – Ende.«
»UNI 81/12 von UNI – verstanden.«
Lupus gab in die Tastatur des Infogebers Status 3 ein: Auftrag übernommen. »Friß, Teufel, oder stirb«, kommentierte er den Knopfdruck.
Der Berufsverkehr kam knüppeldick. »Ist das wieder ein Gewürge«, fluchte der Kommissar, als unterhalb der Godesburg bis über den Aennchenplatz hinaus die Fahrzeuge zurückstauten. »Der Bund schmeißt das Geld zum Fenster hinaus, anstatt mit der Untertunnelung anzufangen. Daß die Godesberger nicht schon längst auf die Barrikaden gegangen sind, kann einen nur wundern.«
»… ihr Aennchen leidet mit«, fügte Lupus hinzu und stimmte die letzte Strophe des Liedes von der Lindenwirtin an:
»Wißt ihr, wer die Wirtin war,
Schwarz das Auge, schwarz das Haar?
Aennchen war’s, die Feine.
Wißt ihr, wo die Linde stand,
Jedem Burschen wohlbekannt?
Zu Godesberg am Rheine.«
»Mensch«, seufzte Freiberg, »was müssen das für Zeiten gewesen sein, als hier die ›Füchse‹ in ihrem ›Kälberstall‹ gesoffen haben – Kaiserliche Hoheiten eingeschlossen.«
»Jetzt wird randaliert und demonstriert, damit wir den Schlagstock schwingen. Die sollten lieber Mensuren schlagen und sich die Visage selbst polieren; heutzutage brauchen sie die Polizei dafür.« Lupus war kein Reaktionär – dafür sorgte schon die studierende Tochter –, aber er hätte es gern etwas straffer gehabt, als es in der Demokratie derzeit üblich war.
Freiberg steuerte einen frei werdenden Parkplatz vor dem Neubau an der Burgstraße an. Diese Adresse war im Personalausweis von Dr. Korbel angegeben. Lupus drückte den Klingelknopf, doch niemand öffnete. Einer der drei Schlüssel, die bei dem Toten gefunden worden waren, paßte zur Haustür. Im zweiten Stock, an der Wohnungstür noch ein Versuch. Das Schrillen der Klingel ließ sich im Flur vernehmen. Auch auf das Klopfen kam keine Antwort. Der Haustürschlüssel paßte auch zur Wohnungstür. Das Schloß schnappte auf. Die Wohnung war klein, aber komfortabel. Diele, Bad, Wohnraum, Schlafzimmer und ein separates winziges Arbeitszimmer mit einem Stahlrohrschreibtisch und vollgestopften Bücherregalen. Auf dem Teppichboden stapelten sich Broschüren, Zeitungen und Zeitschriften. Fotokopien von Fachaufsätzen lagen herum. In den Überschriften stachen Begriffe ins Auge, die nur Spezialisten etwas zu sagen vermochten: Rechnerarchitektur, Operating System, Network Operating, Decision Support System. Es wimmelte von Abkürzungen wie CIM, CAM, CAE, PPS. Nur die Buchstaben IBM für den amerikanischen Computerriesen boten kein Rätsel. Geradezu wohltuend nahmen sich daneben Worte wie Siemens und Nixdorf aus. Die Texte waren zumeist in Englisch verfaßt. Irgendwer berichtete von einer bevorstehenden Revolution durch CD-ROM.
»Da scheinen wir ja an einen mitteleuropäischen Chinesen geraten zu sein. Was diese Computermenschen alles lernen müssen, um ihr Deutsch zu vergessen. Damit werden ja heute schon die Kinder in der Schule traktiert«, murmelte Lupus und schob verdrossen die Blätter hin und her. »Dieser Herr Doktor hätte sich besser mit einem Laserstrahl umbringen sollen als mit einem altmodischen Hanfseil.«
Freiberg sah den wenig beschriebenen Tageskalender durch. Das Blatt vom Vortag war aufgeschlagen und trug die Notiz 22,30 – sonst nichts. In dieser Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, also gestern bzw. heute, hatte das Leben von Dr. Korbel sein Ende gefunden. Es fand sich weiter keine Notiz, kein Hinweis, kein Brief, nur Fachkorrespondenz. Familie schien der Tote nicht zu haben – jedenfalls nicht in der Burgstraße.
»Komm, Lupus, laß uns gehen; soll sich der Erkennungsdienst hier plagen. Aber erst wollen wir noch die Hausbewohner befragen und dann feststellen, ob es ein Fahrzeug gibt, in dem das Abschleppseil fehlt.«
Freiberg verhielt einen Augenblick, nahm sein Taschentuch, legte es über den Telefonhörer und drehte mit dem Kugelschreiber die Wählscheibe. Er gab der Leitstelle seine Wünsche durch, »…und die Türschlüssel hinterlegen wir auf der Wache vom Schutzbereich.«
Wenn er die Klingelknöpfe und Briefkästen richtig gezählt hatte, gab es acht Wohneinheiten in diesem Haus. Im Dachgeschoß wohnten Studenten. Die hatten nichts gesehen und nichts gehört. Sie kannten Dr. Korbel nicht einmal. Freiberg sah keinen Anlaß, an ihren Angaben zu zweifeln. In der anderen Wohnung im zweiten Stock meldete
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