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Spekulation mit dem Tode Kommissar Morry

Spekulation mit dem Tode Kommissar Morry

Titel: Spekulation mit dem Tode Kommissar Morry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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die Dunkelheit ihm erlaubte, über das freie Feld. In einer Mulde warf er sich zu Boden und hob den Kopf. Der Wagen kam schnell heran, hielt jedoch nicht an. North wollte sich schon wieder erheben, als ein zweiter Wagen auftauchte. Obwohl er nur die Lichter sah, ahnte er, das könne nur Tilbury sein. Ein unheimliches Gefühl sagte es ihm. Der Wagen verminderte plötzlich seine Geschwindigkeit und fuhr langsam an sein Kabriolett heran. North sah, wie sich ein Kopf aus dem Fond bog. Hätte North noch im Wagen gesessen, wäre er jetzt erschossen worden. Tilbury hielt seine schwere Pistole in der Hand! Offenbar sah der Arzt, daß er unter diesen Umständen keine Chancen hatte. Er wußte auch, nicht, ob North eine Waffe mit sich führte. Er hätte sich lächerlich gemacht, wenn er ausgestiegen wäre, um ihn in der Dunkelheit zu suchen. Tilbury fuhr weiter.
    Dieser Mann befand sich in einer ausweglosen Situation, vor dem Gesetz jedenfalls. Er konnte nur noch gegen das Gesetz handeln, also morden. Auch das würde ihm kein Glück bringen. Sein Leben war bereits verwirkt, als er den Entschluß gefaßt hatte, Jack Hayes zu erpressen. Die Kraft eines logisch denkenden Mannes und eine solche rückgratlose Form eines Erpressers, waren etwas sehr Gegensätzliches. Tilbury war von jeher ein Mann mit durchaus vernünftiger und logischer Denkweise gewesen, bis auf dieses eine Mal. Und dieser Fehltritt hatte sein ganzes Leben verpfuscht. North perlte der Schweiß auf der Stirn, als er sich aufrichtete. Mit langsamen, schwerfälligen Schritten ging er den Weg zurück. Er hatte einen Entschluß gefaßt. Jack Hayes sollte wissen, daß er die Wahrheit über den Tod des Mädchens kannte. Er startete und schaltete die Fondbeleuchtung aus, die er hatte brennen lassen. Seine schmalen Schultrn krümmten sich hinter dem Steuer zusammen. Er war sich darüber im klaren, daß er etwas Ungeheuerliches vorhatte.
    Jimmy North fuhr nicht schnell. Er bemühte sich, seine Freundschaft mit Hayes nicht über seine Kenntnis von dem Mord zu stellen. Das war schwerer als er dachte. Und dann geschah doch noch etwas mit Jimmy North, bevor er Hayes gegenübertreten konnte. Es war ein unglückseliger Tag. Er tötete einen Radfahrer, der plötzlich aus der Dunkelheit in die Chaussee einbog. North riß das Steuer herum, als es bereits zu spät war. Der Wagen schlug hart gegen einen Baum, North verlor die Besinnung. Als er wieder zu sich kam, lag er in einem Hospitalbett.
    „Sie haben Fleming erwischt", sagte jemand, der auf einem Stuhl neben ihm saß.
    „Und Nora?" fragte Jimmy automatisch.
    „Sie auch", antwortete Hayes. „In Boston."
    „Das ist aber schnell gegangen, Jack, nicht wahr?"
    „Schnell, Jimmy? Das finde ich gar nicht. Es sind immerhin schon sechs Tage her, seit Kommissar Morry sich dahinter gesetzt hat."
    „Sechs Tage — ich liege also schon so lange hier." North hörte nicht mehr, was der Freund darauf erwiderte. Er verlor wieder die Besinnung.
    „Ich glaube, Sie gehen jetzt wieder", wurde Hayes aufgefordert. „Kommen Sie morgen wieder."
    Jack Hayes kam auch wieder. Es ging mit der Besserung schnell aufwärts. In Jimmys Gesicht kehrte die Farbe zurück. Sogar rasieren konnte er sich bald wieder alleine. Das war viel für einen Mann, der so viel Blut verloren hatte.
    „Scharfe Fraktur der hinteren Hälfte des Scheitelbeins", hatten die Ärzte gesagt, „dem Mann ist nicht mehr zu helfen." Aber sie hatten sich geirrt. Jimmy stand es durch.
    „Hat Fleming ein Geständnis abgelegt?" fragte Jimmy.
    Hayes lächelte. „Noch nicht. Er bestreitet alles. Er weinte sogar, als man ihn wegen Mordes verhaftete."
    „Und Nora? Warum kommt sie nicht?"
    „Sie kann nicht. Man behält sie dort."
    „Weswegen?" fragte Jimmy leise.
    „Nora ist ebenfalls verdächtig." Als Hayes das gesagt hatte, bemerkte er, daß Jimmy noch sehr viel Blut besaß. Sein Gesicht färbte sich nämlich dunkelrot.
    „Reg' dich nicht auf“, warnte Hayes.
    „Ich rege mich nicht auf."
    Nach einer Woche wurde North aus dem Hospital entlassen. Als er sich später kräftig genug fühlte, ging er zum Untersuchungsgefängnis, um Nora zu besuchen. Nora weinte, als sie sich gegenübertraten. Sie krümmte ihre weißen Finger in die Stahlmaschen des trennenden Gitters und brachte kein Wort heraus. Jimmy streichelte ihr sonderbarerweise die Finger, auf deren Nägel kein Rot mehr lag. Er hatte es gar nicht vorgehabt, sich so zu vergessen. Er war selber erstaunt. Sie hatten nicht viel Zeit.

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