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Spiegel der Offenbarung

Spiegel der Offenbarung

Titel: Spiegel der Offenbarung
Autoren: Susan Schwartz
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mochte. War er etwa besessen? Einem Zauber erlegen? Oder hatten die Strömungen des Reiches selbst ihn in den Wahnsinn getrieben? Arun war in jeder Hinsicht anders als ein Elf, aber auch als alle sonstigen Wesensformen, denen der Steuermann jemals begegnet war. Sich selbst eingeschlossen.
    Was sollte er nun tun? Was konnte er tun? Hilflos ballten und öffneten sich seine Hände, seine Schultern zuckten. So außer sich war er schon lange nicht mehr gewesen und gegenüber seinem Kapitän überhaupt noch nie.
    Er hätte beinahe zugeschlagen, als er ein Zupfen an seinem Ärmel bemerkte, und hielt gerade noch inne. Aswig stand bei ihm, der Halbelf, der so lange in Barend Fokkes grausamen Diensten gestanden hatte. Der Junge war untröstlich, seit Nidi fort war, und wirkte jetzt verlorener und besorgter denn je.
    »Verzeihung«, sagte er scheu. »Ich wollte dich wirklich nicht ...« Er verschluckte das Wort, das höchst unpassend gewesen wäre, und fand keinen Ersatz.
    »Was beschäftigt dich, Junge?«, fragte der Steuermann, um Freundlichkeit bemüht. Aswig hatte genug durchgemacht, er sollte nicht mehr angeschrien oder bestraft werden. Zuerst musste er seinen Platz und dann sich selbst finden.
    »Was machen wir hier?«, flüsterte Aswig. Für einen Vierzehnjährigen war er zu klein geraten, dazu war er mager und blass. Der Steuermann würde ihn ordentlich anfüttern müssen, damit mal etwas aus ihm wurde. Und dieses filzige braune Haar, dessen musste er sich annehmen.
    Aber Aswig besaß einen scharfen Verstand, den Lebensmut eines Menschen und die Lebenskraft eines Elfen. Er würde es schon schaffen.
    Der Steuermann beruhigte sich, damit seine Mannschaft nicht die Nerven verlor. Das Letzte, was sie jetzt brauchen konnten, war eine Meuterei. Es war seine Aufgabe, sie bei der Stange zu halten, dafür war er der Steuermann.
    »Auf Befehl des Käpt'ns«, sagte er streng und so laut, damit alle, die sich reihum versteckt hatten und heimlich lauschten, ihn hören konnten. »Der Käpt'n braucht seine Handlungsweise nicht zu erklären, sie versteht sich von allein. Wir halten uns also bereit für weitere Befehle! Haben wir das alle verstanden?«
    »Aye-aye«, wisperte Aswig verschreckt. Er fuhr zusammen, als Arun plötzlich herankam, auf seine geschmeidige, leise und vor allem sehr schnelle Art. Der Steuermann war daran gewöhnt, aber der ehemalige Schiffsjunge gaffte den Korsaren an. Noch dazu, da Arun, wie in Innistìr so oft, von einer Stimmung zur anderen umschwenkte. Er konnte im einen Moment zutiefst deprimiert wirken und im anderen dann wieder unwiderstehlich frohsinnig.
    Jetzt strahlte und lächelte er ganz wie »der Alte«, als wenn gar nichts gewesen wäre, stutzte dann jedoch und blieb stehen. Mit fragender Miene breitete er die Arme aus. »Hab ich was verpasst?«
    Aswig schüttelte schnell den Kopf. »Alles unter vollen Segeln, Käpt'n«, sagte der Steuermann ruhig.
    »Ja ... nun ... dann ist ja alles bestens.« Mit scheelem Blick wandte Arun sich ab, um Richtung Heck zu seiner Kabine zu gehen. Unterwegs drehte er sich leicht, ohne anzuhalten, und fuchtelte mit dem Fernrohr herum. »Ach ja, beinahe hätte ich es vergessen! Volle Segel, das ist nicht bestens! Kurs halten, ich meine, verlangsamen, also, wie heißt es gleich, verflixt ...« Vollends verwirrt blieb er stehen, dachte nach, wobei er die Nase auf das Glas stützte, dann hellte sich seine Miene auf. »Position halten!« Er warf einen Blick zum Steuermann. »Ist das richtig?«
    »Aye-aye, Käpt'n.«
    »Gut, dann also – Position halten! Ich bin in meiner Kabine!« Er warf die langen schwarzen Haare zurück, und mit drei raumgreifenden Schritten hatte er die Tür erreicht, riss sie auf und war verschwunden.
    »Aye-aye, Käpt'n«, wiederholte der Steuermann.
    »Position halten?«, wiederholte Aswig verdattert.
    »Du hast den Käpt'n gehört. Und was er befiehlt, wird ausgeführt.«
    »Wir sind in der Luft, wie geht das, ohne Anker zu werfen?«
    »Indem wir kreuzen und halsen, Kleiner, bei sehr langsamer Geschwindigkeit.« Der Steuermann drehte sich im Kreis. »Also, ihr Süßwassermakrelen, ihr faulen Dosenheringe, ihr habt den Befehl gehört! In die Wanten, und das schleunigst! Rudergänger, sag mal, bist du eingeschlafen? Alle Mann auf Posten!« Seine Befehle kamen stakkatoartig, und kurz darauf wurden Segel eingeholt, der neue Kurs angelegt; die Decksplanken erzeugten einen ganz eigenen knarrenden Gesang, als viele Füße darüber
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