Spiegel E-Book - Nelson Mandela 1918-2013
der Apartheid noch in Armut und Benachteiligung lebt, noch in den USA, wo einzelne Bundesstaaten mit juristischen Winkelzügen versuchen, das Wahlrecht von Minderheiten einzuschränken. Wie kein anderer US-Präsident vor ihm wurde Obama von konservativen Gruppierungen wie dem Tea Party Movement angegriffen und verunglimpft. Sogar seine Legitimation als US-Bürger wurde angezweifelt. Wie schwierig es sein muss, politische Veränderungen zu bewirken, wenn latenter Rassismus auch in Sachdebatten noch immer deutlich durchscheint, auch davon erzählen die Bilder des sinnierenden Obama in der Zelle auf Robben Island.
In seiner Rede vor Studenten der Universität von Kapstadt wollte Obama am Sonntagabend an den Besuch von US-Senator Robert Kennedy im Jahre 1966 erinnern, der den Kampf gegen die Apartheid in Südafrika mit der damals heftig wütenden Bürgerrechtsdebatte in den USA verglichen hatte. Obama wolle an die jungen Leute appellieren, sich nicht auf dem Erreichten auszuruhen, sondern weiterhin gegen Unterdrückung, Rassismus und politische Korruption und für soziale Gerechtigkeit zu kämpfen. Nelson Mandela bezeichnete er als persönlichen Helden und eine der größten Personen der Geschichte.
Gefangen in seinem komplizierten geopolitischen Dilemma bleibt der US-Präsident trotz solch hehrer, unangreifbarer Plädoyers. Obama zahlt einen hohen, vielleicht zu hohen Preis für den Erhalt der Freiheit. Und er wird überall auf der Welt damit konfrontiert: Vor der Universität und im Township Soweto hatten sich in den vergangenen Tagen und am Sonntag, als Obama noch auf Robben Island weilte, wütende Demonstranten versammelt. Auf ihren Plakaten und Transparenten waren antiamerikanische Parolen wie „Obama mass killer“ und „End drone wars now“ zu lesen.
Andreas Borcholte
SPIEGEL-SPECIAL GESCHICHTE 2/2007
AUFBRUCH UND ABSTURZ
DIE REGENBOGEN-NATION
Das Land am Kap ist ein Sonderfall: Die Weißen sind als Kolonialherren gelandet - und als Siedler einheimisch geworden. Jahrhundertelang unterjochten sie die Schwarzen, heute stellen sie zehn Prozent der ethnisch vielfältig gemischten Bevölkerung in Südafrika. Von Jan Puhl
Sie haben seine Farm niedergebrannt und sein Vieh dahingeschlachtet. Jetzt duckt sich Bok van Blerk, der Bure, in den Schatten eines Erdwalls, das Gewehr umklammert. Er denkt an seine Frau und sein Kind, die hinter dem Drahtzaun eines britischen Konzentrationslagers vor sich hin siechen. Da reißt Bok van Blerk den Karabiner hoch und stürzt sich in den aussichtslosen Kampf gegen die erdrückende Übermacht.
Bok van Blerk heißt eigentlich Louis Pepler und war bis vor kurzem nur ein mittelmäßig erfolgreicher Rocksänger. Die Schlachtszenen aus dem Krieg seiner Vorfahren, niederländischer Bauern am Kap der Guten Hoffnung, gegen die Briten stammen aus dem Videoclip zu seinem Superhit „De la Rey“.
Pepler/van Blerk singt auf Afrikaans, der Sprache der holländischen Siedler und Kaufleute, die seit 1652 an der Südspitze Afrikas siedeln. Seine Ballade handelt von Koos De la Rey, einem General, der den Briten im Burenkrieg empfindliche Niederlagen beibrachte: Mehr als 300 000 „Kakies“ - wie die Invasoren wegen der Farbe ihrer Uniformen auf Burisch abfällig heißen - standen gegen rund 80 000 der kernigen Farmer. Es ging um Land und um Gold, am Ende unterwarfen sich die Buren.
„De la Rey, de la Rey, komm und führe die Buren, General, General, vereint werden wir siegen oder fallen“ - heißt es im Refrain zu Gitarren mit viel Hall. Mehr als 100 000-mal verkaufte sich die pathetisch-patriotische Ballade bereits.
Unter afrikaanssprachigen Jugendlichen ist es in Mode gekommen, Autos im Kreis zu parken, so wie einst ihre Vorfahren Burgen aus Planwagen errichteten. „De la Rey“ ist der Soundtrack zu dieser Demonstration neuen weißen Selbstbewusstseins.
Doch im Johannesburger Loftus-Stadion wurde der Song zeitweise nicht gespielt - schwarze Besucher könnten sich durch die Hymne gestört fühlen. Schließlich waren es Buren, die ihren Vorfahren das Land streitig gemacht haben und die Apartheid verhängt hatten.
Louis Pepler verwahrt sich dagegen, von weißen Rassisten vereinnahmt zu werden: „Es ist in diesem Land kein Platz für Leute, die auf andere Menschen wegen ihrer Sprache, Kultur oder Hautfarbe herabsehen.“
„Regenbogen“-Nation nennt sich Südafrika seit dem Ende der Rassentrennung, es zählt elf offizielle Sprachen. Am südlichsten Zipfel des Kontinents leben
Weitere Kostenlose Bücher