Spiegel E-Book - Nelson Mandela 1918-2013
keinen einzigen Toten zu beklagen - vom Blut der Zulu färbte sich das Wasser des Ncome rot. Die „Schlacht am Blutfluss“ zementierte den Voortrekker-Mythos endgültig.
Die Gewehre der Weißen und der Aberglaube wurden den Schwarzen zum Verhängnis: 1856 prophezeite ein junges Mädchen, die Weißen würden ins Meer getrieben, wenn die Xhosa zuvor Vieh und Nahrungsvorräte vernichteten. König Sarhili gab Befehl, der Weissagung zu folgen: Die Bevölkerungszahl sank infolge der Hungersnot von mehr als 100 000 auf gerade mal 38 000 - und die Weißen waren immer noch da.
Nach 1850 erlaubte London den Buren, eigene Staatsgebilde zu gründen. Die größten waren Transvaal, das später in Zuid-Afrikaansche Republiek umgetauft wurde, und der Oranje Freistaat im Nordosten. Dort praktizierten die Afrikaaner eine frühe Form der Apartheid. Die Verfassungen stellten sicher, dass allein weiße Männer wählen durften. Schwarze und Farbige waren nur als rechtlose Diener geduldet.
Der Rassismus der Buren radikalisierte sich noch, während die Briten am Kap und in Natal weit mildere Formen der weißen Herrschaft etablierten. Seit 1828 schon wurden die Nichtweißen am Kap juristisch gleichgestellt, sie durften sogar wählen, wenn sie einen - wenn auch hohen - Zensus erfüllten.
Im April 1871 löste ein Diamantenfund auf der Farm des Buren Nicolaas de Beer einen weltweiten Rausch aus. Tausende Glücksritter strömten ins Land und hoben das „Big Hole“ aus, eines der größten von Menschenhand geschaffenen Löcher in der Erde. Als das Schürfen mit der Zeit technisch aufwendiger wurde, gründeten Kaufleute die Minengesellschaft de Beers, die das Geschäft bis heute beherrscht. Nur wenige Jahre nach dem Diamantenrausch folgte der Goldrausch. Am Witwatersrand ließ sich das Edelmetall günstig abbauen. Die Minenstadt Johannesburg entstand, und die Burenrepublik Transvaal erlebte einen enormen Wirtschaftsboom.
Doch Gold und Diamanten weckten bei den Briten Gier auf die Burenterritorien. Seit 1890 versuchte der Premierminister der britischen Kapkolonie, Cecil Rhodes, Transvaal zu annektieren.
Doch gelang es Englands Truppen nicht, die burischen Guerilla-Verbände unter dem Befehl von Paul Krüger niederzuringen. Von 1899 bis 1902 kam es zu einem zweiten Waffengang zwischen Buren und Briten. Weil Ihrer Majestät Armee den kleinen, schnell operierenden Burentrupps nicht beikommen konnte, ließ London massenhaft die Farmen der Widersacher niederbrennen. In britischen Internierungslagern kamen rund 20 000 Frauen und Kinder ums Leben. Einer der Anführer im Kampf gegen Englands Truppen war Koos De la Rey - der Mann, dem Bok van Blerk seinen Popsong gewidmet hat.
Doch auch die Tollkühnheit dieses Helden half den Afrikaanern nicht: Ihre Territorien fielen an England. Allerdings sollte sich die Niederlage mit einiger Verzögerung als Sieg entpuppen.
Nach dem Krieg setzten die Briten auf eine Versöhnung mit den Buren. In den ehemaligen Freistaaten wurde das Wahlrecht, das die Schwarzen ausschloss, beibehalten. Als 1910 die Kolonien im südlichen Afrika zur Südafrikanischen Union zusammengefasst wurden, hatten die Briten sich mit dem Feind von einst geeinigt - und nahmen gemeinsam mit den Afrikaanern die Zementierung der weißen Herrschaft in Angriff.
Ehemalige Burengeneräle wie James Barry Hertzog, Jan Smuts oder Louis Botha dominierten in den folgenden Jahrzehnten das politische Leben am Kap. Schon in den zwanziger Jahren wurde Sex zwischen Weißen und Schwarzen unter Strafe gestellt, bestimmte Jobs waren bereits seit 1914 per Gesetz nur für Weiße reserviert.
1948 gewann die radikal-rassistische Nationale Partei unter Daniel François Malan die Wahl. Sie setzte sich die strikte Rassentrennung unter weißer Herrschaft, „wit baasskap“, zum Ziel. Schwarze und Farbige wurden in eigenen Stadtteilen, „townships“, zusammengepfercht oder in Reservate verbannt. Diese „Homelands“ waren öde, wirtschaftlich und politisch abhängige Landstriche. „Wenn ein Weißer illegalerweise mit einer Schwarzen ein Kind zeugte, mussten die drei theoretisch in drei verschiedenen Häusern und Wohngebieten leben“ - so beschreibt der Historiker Martin Pabst die absurden Auswüchse der Getrenntheit.
Schwarze durften sich nicht mehr frei bewegen, ganze Strände waren Weißen genauso vorbehalten wie Parkbänke, Busse und Geschäfte. In den Schulen lernten weiße Kinder, Schwarze hätten kleinere Gehirne und taugten nur zu
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