Spiegel E-Book - Nelson Mandela 1918-2013
Menschen aller Farbtöne zusammen.
Die Aufregung um die pathetische Rockballade reflektiert Südafrikas komplizierte Kolonialgeschichte: Holländische Kaufleute und Bauern machten sich das Land am Kap und seine Ureinwohner untertan. 250 Jahre später verloren sie selber einen Krieg gegen Invasoren aus Europa, die Kolonialmacht Großbritannien. Nach dem Friedensschluss errichteten die Weißen gemeinsam das System der Rassentrennung. Die Apartheid verbannte 90 Prozent der Bevölkerung, die Schwarzen und Farbigen, auf gesonderte Parkbänke und Toiletten, pferchte sie in entlegene Stadtviertel und nahm ihnen die Meinungsfreiheit und Chancen auf höhere Bildung.
Die Folgen des Gewaltregimes sind bis heute zu spüren - noch immer ist die Mehrheit der Weißen reich und die der Schwarzen arm. Nirgendwo auf der Welt liegen Dritte und Erste Welt so dicht beieinander, mit fatalen Folgen. Die Gewaltkriminalität ufert aus, Johannesburg zählt zu den gefährlichsten Städten der Welt. Gleichzeitig ist die Republik am Kap das einzige Industrieland auf dem Kontinent und als multikulturelle Demokratie Vorbild für ganz Afrika. 2010 wird hier sogar - erstmals in Afrika - die Fußball-Weltmeisterschaft ausgerichtet.
Wahrscheinlich hätten die Europäer das sturmumtoste Kap der Guten Hoffnung auf Dauer gemieden, hätten die Türken nicht 1453 Konstantinopel eingenommen. Von da an war der Landweg nach Ostasien schwieriger geworden, und Gewürzhändler mussten Afrika umsegeln, um dorthin zu gelangen - auf halber Strecke liegt das heutige Südafrika.
Am 3. Februar des Jahres 1488 trauten die Viehhirten vom Volk der Khoikhoi ihren Augen kaum: Das Meer vor der Küste in der heutigen Mossel Bay gebar riesige hölzerne Kisten, Männer in seltsamen Gewändern gingen an Land. Sie füllten ihre Wasserbehälter auf und verschwanden nach einigen Tagen wieder. Bartolomeu Diaz, der als erster Europäer gerade das Kap der Guten Hoffnung umschifft hatte, segelte in den Indischen Ozean weiter.
Holländische, spanische, britische, portugiesische und französische Seefahrer setzten vereinzelt ab dem 16. Jahrhundert ihren Fuß auf südafrikanischen Boden, immer nur kurz, um die Vorräte aufzufüllen und schleunigst weiterzureisen.
Doch sie trafen nicht auf einen leeren Landstrich. In der westlichen Kapregion siedelten das Volk der Khoikhoi und der San, hellhäutige, kleinwüchsige Menschen. Die einen züchteten Ziegen, die anderen lebten von der Jagd. Heute gibt es nur noch vereinzelte Enklaven dieser Buschmänner. Die meisten von ihnen leben in Botswana.
Der Nordosten war besiedelt von schwarzhäutigen Menschen, die sich in Bantu-Sprachen verständigten. Aus diese Völkern gingen die heutigen Zulu und Xhosa hervor.
Vor allem Schiffe der Vereenigde Oost-Indische Compagnie (VOC) mit Sitz in Amsterdam liefen im 17. Jahrhundert auf ihrem Weg nach Batavia im heutigen Indonesien häufig die Kapregion an. Bis zu acht Wochen dauerte die Überfahrt aus Holland. Den Matrosen fielen die Zähne aus, bevor sie elendiglich dahinsiechten. Skorbut heißt die Krankheit, die durch Vitamin-C-Mangel entsteht, weil sich frische Lebensmitteln in Fässern und feuchten Lagerräumen unter Deck kaum hielten.
Auf Geheiß der VOC landete der Kaufmann Jan van Riebeeck am 6. April 1652 in der Tafelbucht. Er errichtete am Fuße des Tafelbergs nur ein kleines Fort. Von dort trieb er Handel mit den Khoikhoi. Er bekam Vieh und Früchte gegen Tabak, Kupfer und Eisen. In der Station lebten nur um die 130 Weiße, die meisten entlassene Seeleute.
Schon sechs Jahre nach van Riebeecks Landung entließ die VOC neun Angestellte aus ihren Diensten. Sie siedelten sich als Farmer am Osthang des Tafelbergs an und wurden „free burgers“ genannt, weil sie unabhängig von van Riebeecks Weisungen das Land bebauten. Dennoch unterstanden sie weiterhin der Rechtsprechung des VOC-Gesandten in seinem Fort. Sie waren die Vorfahren der Buren, des ersten weißen afrikanischen Volks.
In den folgenden Jahren wuchs die Zahl der „free burgers“. Es kamen Holländer und Norddeutsche. Ab 1687 gelangten sogar einige hundert Hugenotten aus Frankreich ans Kap. Noch heute heißt ein Ort nahe Stellenbosch nach seinen Gründern Franschhoek.
Doch insgesamt setzten sich weit mehr Europäer nach Amerika ab als ans Kap. Und obwohl mit der Zeit immer mehr freie Khoikhoi-Viehzüchter zu abhängigen Angestellten der VOC und der „free burgers“ wurden, fehlte es der Kapkolonie an Arbeitskräften. Die VOC
Weitere Kostenlose Bücher