Spiegel E-Book - Nelson Mandela 1918-2013
Institutionen der Apartheid - und wird sich mit dieser Amtshandlung selbst entmachten.
Auch die vier sogenannten unabhängigen Homelands - ein weiteres Produkt der Rassentrennung - sind in der neuen Verfassung nicht vorgesehen: Damit verlieren die von Pretoria ausgehaltenen und von keinem Land der Welt anerkannten Zwergstaaten Transkei, Ciskei, Bophuthatswana und Venda sowie die sechs autonomen Gebiete - unter ihnen Kwa-Zulu - ihre legale Existenzgrundlage.
„Wir werden diese Verfassung mit allen Mitteln bekämpfen“, drohte deshalb KwaZulus Chefminister Mangosuthu Buthelezi und klagte, die Beschlüsse seien über die Köpfe der Betroffenen hinweg gefällt worden.
Der Führer der Zulu-Bewegung Inkatha hatte die Verfassungskonferenz vor vier Monaten zusammen mit der weißen, ultrarechten Konservativen Partei sowie den Regierungen von Bophuthatswana und der Ciskei unter Protest verlassen. Die Front der Verweigerer schloß sich zur „Freiheitsallianz“ zusammen.
Das seltsame Bündnis zwischen rassistischen Buren, die einen eigenen weißen Volksstaat fordern, und Zulu-Konservativen, welche die Vorherrschaft des ANC fürchten, könnte den Wandel noch gefährden. Der machthungrige Zulu-Chef Buthelezi fühlt sich von der Regierung, die ihn einst stützte, verraten. Er betrachtet den ANC als Todfeind, weil Mandelas Organisation auch in seiner Provinz Sympathisanten gewinnt. Bei Kämpfen zwischen Inkatha- und Mandela-Anhängern sind Tausende gestorben. Die von Weißen geführte Polizei blieb untätig.
Auch die weißen Ultras in der rechten Freiheitsallianz drohen mit Krieg: „Die Annahme der Verfassung markiert den Beginn der gewaltsamen, kommunistisch inspirierten Machtübernahme des ANC“, sagte General Constand Viljoen, Chef der separatistischen Afrikaaner-Volksfront. Seine Anhänger rief er auf, sich militärisch ausbilden zu lassen. „Wir stehen am Rande des Krieges“, so der ehemalige Armeechef.
Doch ANC-Chef Mandela und Staatspräsident de Klerk, als Architekten des neuen Südafrika mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, haben die Hoffnung auf eine friedliche Lösung nicht aufgegeben: In bilateralen Verhandlungen versuchen sie, die Verweigerer von der Freiheitsallianz in den Reformprozeß einzubinden.
Beim Festakt im Welthandelszentrum wandte sich der ANC-Präsident an die weißen Südafrikaner: „Sie sind gleichberechtigte Bürger im neuen Südafrika. Ich garantiere Ihnen das volle Recht auf Ihre Sprache, Ihre Religion und Kultur. Diese Rechte wird Ihnen niemand nehmen.“
Mandela sprach die beschwörenden Sätze in Afrikaans. Der Schwarzenführer hatte die Sprache der burischen Feinde in seiner 27jährigen Haftzeit gelernt.
SPIEGEL-Gespräch 47/1993
„Tag der Befreiung“
SPIEGEL: Herr Mandela, es gibt Jugendliche in den schwarzen Townships, die glauben, Sie seien nicht der wahre Mandela. Der wahre Mandela sei im Gefängnis ermordet und durch einen Doppelgänger ersetzt worden, der nun im Interesse der weißen Minderheit Kompromisse mit den Machthabern schließe. Sind Sie wirklich der alte Revolutionär geblieben?
Mandela: Es ist nicht leicht, über sich selbst zu sprechen. Aber die Begeisterung, mit der mich gerade junge Leute empfangen, spricht eigentlich dafür, daß ich mich nicht verändert habe seit der Zeit meiner Festnahme und meiner langen Haft. Ich hoffe, daß ich mir selber treu geblieben bin.
SPIEGEL: Einer der populärsten Slogans des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) lautet: Alle Macht dem Volke. Wie erklären Sie Ihren Anhängern Ihre Bereitschaft, die Macht mit den Weißen zu teilen?
Mandela: Die schweren sozialen und ökonomischen Probleme in Südafrika können nur von den verschiedenen politischen Parteien gemeinsam gelöst werden. Dabei handelt es sich nicht nur um die Probleme der Schwarzen, sondern auch um die der Coloureds, der Inder und der Weißen. Wir meinen, daß Südafrikas gesamte Bevölkerung für diese immense Aufgabe des Wiederaufbaus mobilisiert werden muß. Und das kann nur eine Regierung der nationalen Einheit.
SPIEGEL: Wie lange soll diese große Koalition zwischen Schwarz und Weiß dauern?
Mandela: Fünf Jahre. Wir haben das Modell der Regierung abgelehnt, die eine solche Koalition dauerhaft in der Verfassung verankern wollte. Der ANC steht nach wie vor zu dem demokratischen Prinzip, daß die Partei, die in freien Wahlen die Mehrheit erringt, auch regieren soll.
SPIEGEL: Der ANC hat beschlossen, den jetzigen Präsidenten Frederik Willem de Klerk
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