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Spiegel E-Book - Nelson Mandela 1918-2013

Spiegel E-Book - Nelson Mandela 1918-2013

Titel: Spiegel E-Book - Nelson Mandela 1918-2013 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Puhl (Vorwort)
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ngawethu“, bedeutet er den in ein und derselben Wolle gefärbten Zionslämmern - das Volk an die Macht.
    So wie früher, in den zornigen Zeiten. 
Walter Mayr

SPIEGEL Ausland 47/1993
SÜDAFRIKA

„NIE MEHR SO, WIE ES WAR“
Der Traum des Freiheitskämpfers Nelson Mandela geht in Erfüllung. In einem historischen Kompromiß zwischen Opfern und Unterdrückern einigte sich der ANC-Chef mit Staatspräsident Frederik Willem deKlerk auf eine neue Verfassung für Südafrika - Ende von über 300 Jahren kolonialer Ungerechtigkeit und Apartheid.
    Der Morgen dämmerte über Johannesburg. Im Welthandelszentrum in der Nähe des Jan-Smuts-Flughafens spielte der Diskjockey „Jailhouse Rock“. Minister Roelf Meyer, Chefunterhändler der Regierung, schwenkte in ausgelassener Laune seinen schwarzen Partner vom Afrikanischen Nationalkongreß (ANC), Cyril Ramaphosa, über die rot-blauen Fliesen. Südafrikas Runder Tisch tanzte.
    Die überwältigende Mehrheit der 210 Vertreter von 21 Parteien und Gruppierungen hatte soeben einem Dokument zugestimmt, das für Südafrika eine neue Zeit einleitet. Übermüdet billigten die schwarzen, braunen und weißen Delegierten in der Nacht zum Donnerstag vergangener Woche im Festsaal die neue Verfassung, um die sie fast zwei Jahre gerungen hatten.
    Das 164-Seiten-Papier beginnt mit den Worten „In demütiger Unterwerfung vor Gott, dem Allmächtigen“. Es beendet mehr als drei Jahrhunderte weißer Vorherrschaft am Kap, die fromme Buren als gottgewollt verteidigten, und legt den moralischen und rechtlichen Grundstein für eine demokratische Ordnung, die „Gleichheit zwischen Männern und Frauen und Menschen aller Rassen“ in Südafrika verspricht.
    „Wir stehen am Beginn einer neuen Ära“, beteuerte Staatspräsident Frederik Willem de Klerk, 57, „Südafrika wird nie mehr so sein, wie es war.“
    Sein alter Gegenspieler Nelson Mandela, 75, erlebte die Krönung seines Lebenswerks. Südafrika, triumphierte er, befinde sich „unwiderruflich auf dem Weg zu einer nicht-rassischen Demokratie“. Über 50 Jahre hatte er für dieses Ziel gekämpft - 27 davon als Staatsgefangener des weißen Regimes.
    Das Abkommen markiert eine historische Zäsur, die für das südliche Afrika eine ähnliche Bedeutung hat wie die Versöhnung zwischen Israel und PLO für den Nahen Osten.
    Anders als in den kommunistischen Ländern Osteuropas brach die Regierung nicht unter dem Ansturm der unterdrückten Mehrheit zusammen; sie handelte freiwillig ihren Abgang aus - in der Erkenntnis, daß die 1948 verkündete Apartheid-Doktrin das Land „in eine Sackgasse“ (de Klerk) geführt hat.
    Für ein Land und einen Kontinent mit derart gewalttätiger Geschichte war das eine unerhörte Leistung. Eine friedliche Revolution war es dennoch nicht. Die Verhandlungen wurden bedroht durch Terrorausbrüche, wie sie Südafrika seit dem Burenkrieg nicht erlebt hatte. Über 10 000 Menschen kamen seit 1990 bei Morden und Massakern in den Townships ums Leben.
    Die Verfassung, die zum erstenmal in der Geschichte des Landes das Wahlrecht für alle Rassen garantiert, wird für fünf Jahre gelten. Bis dahin soll das gewählte Parlament ein endgültiges Grundgesetz verabschiedet haben. Das wird die wichtigsten Artikel aus der Übergangsverfassung übernehmen: den Katalog der Menschenrechte, das Prinzip der Gewaltenteilung, eine föderale Ordnung für Südafrika und die Bildung eines Verfassungsgerichts.
    Am 27. April kommenden Jahres werden mehr als 20 Millionen Stimmberechtigte eine 400köpfige Nationalversammlung wählen. Gleichzeitig werden in den zu schaffenden neun Provinzen am Kap Regionalparlamente gewählt, die eigene Landesverfassungen erarbeiten. Es sind Südafrikas erste demokratische Wahlen.
    Während der Übergangszeit soll die Macht geteilt werden: Jede Partei, die mehr als 5 Prozent erhält, hat Anspruch auf einen Ministerposten; jede Partei mit mehr als 20 Prozent stellt einen Vizepräsidenten.
    Das Kabinett der nationalen Einheit faßt seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit, aber in einem „um Konsens bemühten Geist“ - einer von vielen Kompromissen, auf die sich ANC und Regierung noch in letzter Minute einigten. De Klerks regierende Nationale Partei hatte zunächst gefordert, die neue Regierung dürfe nur mit Zweidrittelmehrheit entscheiden.
    Im Dezember wird das Parlament in Kapstadt die Übergangsverfassung ratifizieren. Es ist mit seinen getrennten Kammern für Weiße, Inder und Mischlinge eine der letzten

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