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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta Maier
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sich in meinem ganzen Körper aus. Maulbeere und Kakao flossen durch meine Adern und benebelten mich wie Wein.
    Finan, vielleicht hörst du mich ja. Wenn die Nacht einen Geschmack hätte, Finan, dann wäre er so wie dieser.
    Als hätte man ihr die Essenz herausgepresst und sie in Pontus’ Blut gegeben. Aber nicht nur die Schrecken der Dunkelheit, sondern auch ihren süßen, magischen Zauber, wie Kandiszucker mit einem Tropfen Bitterkeit. Ich blinzelte, Pontus saß neben mir auf dem Boden, sein dunkelblauer Pullover war ein trudelnder Fleck in einem Karussell aus vorbeiziehenden Farben. Ich weiß immer noch nicht, wie der Himmel schmeckt, dachte ich in diesem Augenblick, und es machte mich furchtbar wütend.
    »Wie …«, keuchte ich atemlos und bereit dazu, alles zu tun, damit er dieses Drehen anhielt, »wie hast du das gemacht?«
    »Mein Blut – du hast zu wenig davon erwischt, als dass es dich hätte betäuben können. Doch es war zu viel, um mir davonzulaufen«, erklärte er ruhig und seine Stimme war überall um mich herum. Dolby Surround war nichts dagegen!
    »Es soll aufhören.« Ich kniff die Augen zusammen, aber es half nicht.
    »Wie du willst!« Er klang gelassen. Im nächsten Moment hielt er mir seinen Unterarm auf die Lippen. Noch mehr Blut. Noch mehr? Wollte er mich umbringen? Nein, betäuben, um dich fortzubringen . Wieder kämpfte ich, trat, fluchte und schlug um mich. In Drumchapel hätte ich so jeden Gegner binnen kürzester Zeit ausgeknockt, trotz meines Schwindels, meine Verzweiflung machte mich unberechenbar. Bei Pontus aber war alles umsonst. Sekunden später kniete er auf meinen Oberarmen. Als er sich zu mir herunterbeugte, schüttelte ich panisch den Kopf.
    »Nur mein Blut«, sagte er in einem Tonfall, als erklärte er einem Tier, dass es zu seinem eigenen Besten eingeschläfert werden sollte. Er legte eine Hand in meinen Nacken, hob meinen Kopf an und presste die Stelle seines Armes, wo ich zugebissen hatte, auf meine Lippen. Er musste die Wunde vergrößert haben, denn das Blut strömte über mein Gesicht, lief an den Seiten hinab, als ich mich weigerte, den Mund zu öffnen. Einen unwilligen Laut später ließ er meinen Kopf auf den Boden zurücksinken, drückte mir meinen Kiefer auf und schob Zeige- und Mittelfinger in meinen Mundwinkel.
    Schon spürte ich die ersten Tropfen seines Blutes auf meiner Zunge. Die bittersüße Essenz der Nacht. Wortlos ließ er die Flüssigkeit in meinen Mund rinnen, sorgte dafür, dass ich sie schluckte, indem er mir kurz die Hand über die Nase legte.
    »Wenn du dich nicht wehren würdest, wäre es sehr viel einfacher«, kommentierte er anschließend sein Handeln schlicht und ohne Bedauern.
    Mein Widerstand erlahmte mit der Menge, die er mir zu trinken gab. Meine Glieder wurden schlaff. Der letzte Schwindel zog wie ein wehendes Band davon und hinterließ ein Gefühl der Ruhe. Ich war so müde. Das Entsetzen wich, auch das über den toten Lichtträger. Die Nacht spannte sich vor mir auf wie ein Fächer, traumgleich, mit dunkelbunten Farben wie Blüten. In meinem Kopf hörte ich Finans ewig kindliche Stimme unseren Reim sprechen:
    »Du kannst mich nicht sehen,
aber dennoch bin ich hier.
Du kannst nicht fliehen,
du bist ein Teil von mir.«
    Ich sprach ihn unwillkürlich nach. Fast lautlos und immer wieder, als wollte ich mich am monotonen Rhythmus der Worte beruhigen.
    Wie durch einen Nebel bekam ich mit, dass Pontus meine Haare zurückstrich und mich dann sanft vom Boden hochhob.
    »Höchste Zeit für dich.«
    »Pontus?«
    »Noli timere, Imago Animea. Keine Angst. Ich passe auf dich auf.«
    Aus irgendeinem unerfindlichen Grund glaubte ich ihm und fühlte mich beschützt. Er hätte mich und mein Blut in aller Ruhe zelebrieren können und tat es dennoch nicht. »Normalerweise trinken Vampire Blut …«
    »Wenn du das sagst.« Er lächelte.
    »Wer hat wen gespiegelt?«, murmelte ich schlaftrunken.
    »Sag du es mir! Ich weiß es wirklich nicht.«
    Ich will nach Hause, wollte ich betteln, obwohl ich meilenweit davon entfernt war, ein echtes Zuhause zu haben, doch ich konnte nur ein »Wo bringst du mich hin?« wispern. Ich fing seinen Blick auf, der wie in der U-Bahn immer noch fremd und vertraut war. Seine Augen waren schmal – und kalt wie Schnee. Und irgendwie schienen sie wie Glas, oder so, als könnte ich hindurch greifen und das darin finden, was ich vermisste. Aber ich konnte mich nicht sehen.
    »Ich bringe dich dorthin, wo du sicher bist. Zu Damontez

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