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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta Maier
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Aspertu.«
    »Wer ist das?« Ich schloss die Augen. Irgendwie war ich froh, dass meine Situation entschieden war, denn jetzt musste und konnte ich nicht mehr kämpfen. Ich war viel zu müde, um zu kämpfen.
    »Er ist einer der beiden Halbseelenträger.«
    »Einer der …?« Ich spürte, wie ich das Bewusstsein verlor, und war dankbar dafür.

4. Kapitel
    »Das Leben ist schwächer als der Tod,
und der Tod ist schwächer als die Liebe!«
    KHALIL GIBRAN, Sämtliche Werke
    Pontus lehnte an der Tür des Chryslers und betrachtete den Himmel, der heute ungewöhnlich hell erstrahlte. Irgendwo inmitten der Highlands, zwischen Glasgow und Loch Lomond, hatte er angehalten. Er wollte noch nicht weiterfahren, sondern den Zauber des Augenblickes auskosten.
    Schon in der U-Bahn hatte er die Verbindung zwischen Coco und sich gespürt wie ein Band, ein Widerhaken in seinem Herzen. In menschlicher Manier atmete er einmal bewusst ein und aus, so wie Coco in der Fabrikhalle, als sie kurz ins Stocken geraten war. Atmen, etwas, das er Jahrhunderte lang nicht mehr getan hatte. Es fühlte sich merkwürdig an, kitzelte ein wenig, als säße ein Vogel in seiner Brust, der die Schwingen zum Flug spreizte. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht.
    Selten hatte er sich menschlicher gefühlt, sterblicher, als in diesen Minuten, in denen sie so heilig und unschuldig wie ein Kind auf der Rückbank des Chryslers lag. Eine tiefe, nahezu zärtliche Begeisterung für dieses kleine Spiegelblut schlich sich in sein Herz. Er vertrieb einen Sichelflügler von seinem Unterarm und betrachtete das Wolkenbett, das sich schwer über den blassgrünen Mond geschoben hatte. Coco Lavie – er sprach die Worte einmal im Geiste, dann laut, und war verwundert, wie sehnsuchtsvoll sich die Silben aus seinem Innersten formten. Fast als spräche er ein Gebet. Einem inneren Zwang folgend drehte er sich zu ihr um und beobachtete sie beim Schlafen. Milchweiße Haut, lange, dunkle Haare, deren Spitzen sich ein wenig widerspenstig lockten, und diese fragenden Augen, die ihn in seiner Unsterblichkeit berührten. Nicht nur berührten, sie rührten ihn an. Nur einen Funken davon ließ er zu: Eines Tages würde er sie töten müssen.
    Vor nicht allzu langer Zeit – wenn man es in einem unsterblichen Leben so sagen konnte – hatte er sich auf einen Handel mit den beiden oberen Wächterengeln, den Cherubinen, eingelassen. Sein Auftrag war einfach:
    »Finde das Spiegelblut, bringe es zu einem der beiden Halbseelenträger und sorge für seinen Schutz. Lass es den Fluch brechen. Dann bekommst du deine Sterblichkeit wieder.«
    Sterblich sein! Eine Reise, die nur ein Ziel kannte: den Tod.
    Er hätte alles dafür getan. Er hätte sich selbst den hoffärtigen Cherubinen vor die Füße geworfen und wie ein Kind gebettelt. Tränen geweint, die er nicht weinen konnte.
    Finde das Spiegelblut! Zunächst hatten die Worte magisch geklungen. Aber der Zauber verlor sich recht schnell, denn es war weit schwieriger, ein Spiegelblut zu finden, als gedacht. Es war ihm erst ein einziges Mal geglückt. Dorian Valeska war der Name des letzten Spiegelblutes gewesen. Er hatte das von Flammen zerfressene Gesicht noch genau vor Augen.
    Doch das war lange her und der Fluch der beiden halben Seelen nicht gebrochen worden.
    Und jetzt lag hier Coco Lavie in einem von Damontez’ Wagen und Cheriours Worte hallten in ihm nach. Pontus hatte diesen despotischen Cherub schon immer verabscheut. Vor wenigen Jahrzehnten hatte er der Abmachung einfach etwas hinzugefügt.
    »Es gibt eine kleine Änderung am Ende aller Dinge«, hatte er ihm verkündet.
    »Am Ende aller Dinge?« Pontus war sofort misstrauisch geworden.
    »Du wirst das Spiegelblut töten, nachdem es den Fluch gebrochen hat.« Der oberste Wächterengel hatte bei diesen Worten hintergründig gelächelt.
    »Mehr nicht?« Pontus hatte beinah laut aufgelacht.
    »Nein, mehr nicht.« Das unheimliche, wohlwollende Lächeln im Gesicht des Engels war nicht verschwunden. Selbst ihm als Kältedämon jagte es heute noch einen Frostschauer über den Rücken.
    »Wo ist der Haken?«
    »Kyriel darf es nicht erfahren. Das ist die einzige Bedingung.«
    »Wie könnte ich es vor ihm verbergen? Er ist ebenso mächtig wie du.«
    »Kyriel ist kein Problem.« Kälte hatte in den Diamantaugen geglitzert und einen fahlen Schleier über Cheriours markante Züge gelegt. Dieser Engel hatte ihm damals seine Sterblichkeit genommen, denn Vampire konnte man durchaus töten. Nur er war jetzt

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