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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta Maier
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der unbarmherzig das Schwert in das Gold hieb. Dieser Engel machte mir Angst. Er sah in seiner Herrschaftlichkeit ebenso konsequent aus wie Damontez.
    »Verlor früher ein Vampir seine Seele, starb er eines Tages seelentot. Das Bündnis gab den Vampiren die Garantie, dass die Engel ihnen beim Zeitpunkt ihres Todes die Seele aus ihrem Heiligtum zurückbrachten. Ansonsten würde sie für immer vergehen.«
    Er sah mich an. Ich sah ihn an. Das klang kompliziert.
    »Warum möchte ein Seelenloser seine Seele überhaupt wiederhaben?«
    »Er will sich natürlich vor dem Seelentod retten, denn der Vampir ist ja nicht wirklich unsterblich.«
    »Aber kommen Dämonenseelen nicht in die Hölle, falls es die gibt?«, fragte ich verwirrt.
    Er sah mich streng an. »Dämonen stammen von den ersten gefallenen Engeln ab.«
    »Gefallene …«
    »Wohin ihre Seele einmal gelangt, obliegt der letzten großen Macht: Die Menschen nennen sie Gott. Es gibt durchaus Dämonen, deren Strafregister kürzer ist als das mancher Menschen. Und außerdem ist der Gedanke an die angebliche Hölle für einen Nefarius erträglicher als an das Nichts.«
    Er muss es ja wissen! »Wie ist es, wenn man seelenlos ist?«
    Er deutete ein Schulterzucken an und sagte dann: »Wie eine Schwarz-Weiß-Fotografie gegenüber einem Farbfoto. Ein Seelenloser hat die Liebe verloren.«
    »Wieso haben die Engel diese Weltwandler nicht selbst geschützt? Warum mussten die Vampire versprechen, sie zu verschonen?« Meine Fragen brachen wie ein Dauerfeuer aus mir hervor.
    Damontez blickte nach vorn, diesmal schien es, als mied er direkten Augenkontakt mit mir: »Manchmal gelingt es einfach nicht, die zu schützen, die man liebt. Außerdem sind auch den Engeln Grenzen gesetzt.«
    Ich studierte das Mosaik. Suchte Details. Das durchtrennte Gold – sollte es eine Seele darstellen? Die braunen Augen des Mädchens berührten mich zutiefst. Sie war gebrochen vor Schmerz. Erschüttert, als habe man ihr ihre ganze kleine Welt gestohlen. Ihre Füße, Knie und die aufgestützten Hände badeten in einem gläsernen See aus Blut. Sie mochte vierzehn, höchstens fünfzehn Jahre alt sein, auf jeden Fall jünger als ich.
    Damontez blickte weiter nach vorne. »Sie war ein weltwandelnder Engel, gesandt, um einem Jungen beizustehen, dessen Eltern bei einem Überfall auf ihr Dorf getötet wurden. Sie kam angeblich mit einem größeren Anliegen auf die Erde, aber das Wissen darum ist verlorengegangen.« Er wandte sich zu mir um. »Komm zu mir!«
    Ich trat neben ihn, und er fuhr fort. »Engelsblut ist für Vampire ebenso verlockend wie das Blut einer Spiegelseele. Ein Vampir brach das Bündnis. Er tötete das Mädchen. Wir nennen ihn den Einen, weil wir nicht genau wissen, wer er ist.«
    Der Eine . Die trauervollen Augen ließen mich nicht mehr los. Ich konnte nicht sagen, was es war, das mich so mit diesem Mädchen verband. Fühlte ich den Nachklang ihrer Seele oder traf mich der verstörte Ausdruck in ihrem Gesicht so sehr?
    »Er tötete sie nicht schnell«, redete Damontez jetzt weiter. »Er bereitete ihr unerträgliche Qualen. Hielt sie über mehrere Tage gefangen, versteckte sie in den unterirdischen Höhlen eines Gebirges. So tief unter dem Meeresspiegel, dass die Engel sie nicht finden und schützen konnten. Das Meer ist die natürliche Grenze ihres Einflussgebietes.« Er nickte zu dem Mädchen auf dem Mosaik: »Man sagt, er hätte ihre Tränen getrunken wie Blut. Engelstränen. Eine große Macht, die er sich dadurch aneignete. Die ihn mächtiger machte als alle anderen Vampire. Man sagt, sie schenkten ihm ein Herz aus Diamanten.«
    »Engelstränen?«, wiederholte ich leise. Sie waren flüssiger als Wasser, gewichtslos und glitzerten wie Sterne. Ich schmeckte sie mit meiner Spiegelsicht direkt auf der Zunge, und trotz der Leichtigkeit wogen sie schwerer als alles, was ich kannte.
    »Was passierte mit ihr? Sie war doch ein Engel. Konnte sie nach ihrem irdischen Tod nicht einfach zurück?« Ich kannte die Antwort, ich sah sie aus dem verlorenen Blick des Mädchens rufen, aber ich wollte den Grund dafür wissen.
    »Nein. Sie war nicht zu retten. Durch die Grausamkeit der Tat zerriss der Eine ihre feine Engelseele in zwei Hälften. Ihre Seele konnte nicht mehr emporsteigen, sondern musste auf der Erde verbleiben. Der Vampir wusste genau, was er tat. Und es bereitete ihm Vergnügen, ihr nicht nur das Blut zu nehmen, sondern auch ihr ganzes Wesen und ihr Sein als Engel. Mögen die Engel dich

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