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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta Maier
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dem Kopf. Er liebte die Sonne auf seinen geschlossenen Lidern. »Vielleicht aber auch ein bisschen wie Stolz.«
    Er sagte es, ohne zu wissen, was gehäkelte Spitzenbordüren waren, ohne die Textur zu sehen, nur durch den Geschmack von Vanille, Keksen und Anis, das Kitzeln des Garns und den Gesang der Königin der Nacht. Er sortierte Spitze in seine ganz eigene Welt ein, eine Welt, die keinen Horizont kannte, weil er Grenzen nicht sah. Er spürte sie mit seinem Körper, doch seine innere Welt war frei. Er verwunderte mich nicht zum ersten Mal. Immer wieder erfasste er … die Seele der Dinge. Ich dachte an unser Spiel und richtete mich kerzengerade auf, erstaunt oder vielmehr erschüttert über diesen letzten Gedanken. War Finan ebenfalls ein Spiegelblut gewesen? Das bessere Spiegelblut?
    Es ist wieder Frühling. Ein Strauß Blumen. Honig und Hyazinthen. Ich hätte es fast vergessen.
    Hatte sein Blut oder er selbst, als er im Sterben lag, die Seele des Vampirs aus dem Heiligtum der Engel reflektiert? War das möglich? War dieses Spiegeln der Liebe auch ein Teil der Verlockung, von der Damontez gesprochen hatte?
    Ich schüttelte langsam den Kopf. Es war, als würde sich meine eigene Vergangenheit auflösen und neu zusammensetzen. Ich hatte mit meiner Vermutung, dass der Mann im Spiegellabyrinth ein Dämon war, immer recht gehabt. Aber Finan, ein Spiegelblut? Spiegelsichtig, ja, Spiegelseele, wahrscheinlich. Doch was war mit dieser Reflexionskraft … Mir fiel die Wahrheit buchstäblich wie Schuppen von den Augen: Deswegen hatte er das Spiegelamulett bekommen. Ein Spiegelamulett für ein Spiegelblut! Aber was konnte Papa schon darüber gewusst haben? Und was hätte Finan mit dem Amulett anfangen sollen?
    Ich kuschelte mich Schutz suchend in die Daunen, das iPad wieder auf dem Schoß, und lehnte meinen Kopf an die Wand. Ich starrte an die hohe Turmdecke und erkannte einen Gitterrost. Seine Einfassungen verschwanden hinter den alten Steinen. Ursprünglich war dort bestimmt einmal eine Luke zum Herablassen einer Leiter gewesen. Dahinter lag irgendwo der Himmel.
    Finan.
    Ich musste Eloi erreichen und herausfinden, was er wusste. Sollte das Medaillon wirklich Papa gehört haben, musste dieser ebenfalls ein Teil der Geschichte sein. Eine Geschichte, die jetzt auch meine war, und der ich entkommen musste, bevor mich die Lichtträger, Engel und Vampire in ihre Legenden über die Halbseelenträger mit aufnahmen und ich für immer darin eingeschlossen wäre. Ich musste Pontus recht geben: Ich war ganz sicher ein Spiegelblut, ich zweifelte nicht daran, ich wusste nur nicht, warum. Aber wenn Damontez das herausfand, wäre ich hinter den Spiegeln gefangen wie in einem Raum ohne Wände, der nur innere Grenzen besaß. Manche nannten das Schicksal.

9. Kapitel
    »Berauschend ist die Nacht, die Luft so blau,
Weite atmet das Herz.
Stern an Stern bis zur Unendlichkeit.
Einsamkeit erfüllt mich und Ruhe,
die Unsterblichkeit so nah.«
    K. A. GLOSE, Der Weg zurück
    Pontus stand auf der Wehrmauer und ließ den Blick über die Highlands streichen. Von unten betrachtet wirkten die Bergspitzen wie der gezackte Rückenkamm eines riesigen Reptils. Seufzend stützte er sich mit beiden Händen auf die Brüstung.
    Er konnte Damontez verstehen und verabscheute trotzdem, was er tat. Sie war bezaubernd. Wie sie dort gestanden hatte, die Wangen hochrot, den Kopf folgsam gesenkt, doch der Geist so widerspenstig wie ihre gekringelten Haarspitzen. Und dann der Blick, den sie ihm zugeworfen hatte. Hol mich hier raus , er verstand sie blind.
    Gedanklich fasste er zusammen, was er wusste und was nicht. Allen Nachforschungen zum Trotz konnte er immer noch nicht wirklich sagen, wie sich eine Spiegelseele weitergab. Dass sie sich weitergab, stand außer Frage, er kannte nur das Gesetz dahinter nicht. Aber er zweifelte keine Sekunde daran, dass zuvor Cocos Bruder das Spiegelblut gewesen war. Die mysteriösen Todesumstände blätterten es triumphierend auf den Tisch wie ein Pokerspieler den Royal Flash. Von ihrem Onkel Eloi wusste er, dass Coco ihr Spiegelbild schon seit sieben Jahren mied, selbst Fotografien scheute sie, als würde sie damit ein weiteres Unglück heraufbeschwören. Vielleicht ging es ihr gar nicht nur um ihr Spiegelbild, sondern um ihr Abbild ganz allgemein. Möglicherweise wollte sie sich mit dieser Verweigerung sogar für irgendetwas bestrafen, diesen Eindruck machte es zumindest auf ihn.
    Finan dagegen war blind zur Welt gekommen, Dorian

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