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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta Maier
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Das war so ein schönes, mystisches Wort. Ich drehte mich auf den Rücken, starrte in die Luft, in der er den Speer tanzen ließ. Nachtschattenherz, wie es sich wohl mit der Spiegelsicht anfühlte ? Lila-schwarz mit einem Schuss Mandellikör, ich leckte über meine Lippen und meine Wangen wurden heiß. Sinnlich wie Samt, weich wie Lust, meine Finger zuckten, als würde ich einer Begehrlichkeit nachgeben wollen …
    Zack!
    Die Diamantsonne steckte irgendwo in meinen Haaren im Boden fest. Damontez stand über mir, ich sah an seinen Augen vorbei – seine Augenbrauen waren so schwarz wie Ebenholz und zogen eine gestochen scharfe Linie bis hin zu seinen Schläfen.
    »Steh auf!« Er sprach leise, das unterstrich die Nachdrücklichkeit seines Befehls noch.
    Ich nickte beklommen mit dem Blick auf den funkelnden Stahl neben meinem Ohr.
    Er zog den Speer aus dem alten Holz und eine feine Haarsträhne schwebte über mir in der Luft. Eine Sekunde später reichte er mir meine Waffe und alles war klar. Mir im Besonderen. Er mochte mir körperlich überlegen sein, stärker und schneller, und nutzte das hemmungslos aus, um mich zu maßregeln, aber er hatte auch eine Schwäche. Menschliches Blut. Mein Blut. Vielleicht sogar Spiegelblut. Ich wollte ihn schwach sehen, gleich, welche Gefahr sich für mich ergab. Ich wollte ihm demonstrieren, dass ich seine Schwäche kannte und ebenso damit spielen konnte wie er mit meiner Würde. Es ging längst nicht mehr um eine kurze Pause.
    Als ich aufstand, ächzte jeder Muskel in mir. Ich machte ein paar Schritte zurück. Wie aus reiner Gedankenlosigkeit nahm ich den Speer unvorsichtig am äußeren Diamantblatt und drückte nur noch zu. Im ersten Moment fühlte ich nichts. Keinen Schmerz, nur eine irre, kranke Befriedigung, die mich ganz und gar berauschte. Fast bedächtig ließ ich den Stahlstab wie geölt durch meine Handfläche rutschen und umklammerte ihn in der Mitte. Fasziniert betrachtete ich das Blut, das sich wie eine dünne Lasur überall verteilte. Ich hatte mich stärker geschnitten als beabsichtigt. Anstatt sich nur um den Griff und den Diamanten zu legen, rann das Blut unablässig über den Stab nach unten auf den Boden. Ich registrierte es eher nebenbei, und auch nicht ohne eine gewisse Genugtuung – so wie den Schmerz, der jetzt langsam zu mir durchsickerte wie Nüchternheit nach zu viel Alkohol. Ich hob den Speer mit einem gehässigen Lächeln. Das wird dein persönliches Waterloo, Mr.-Alpha-Vampir-Aspertu!
    Damontez war nicht bereit. Zu sehr war er von dem Bild gefangen, das auch mich eben noch gefesselt hatte. Erst im letzten Moment konnte er mir ausweichen, riss seine Waffe hoch und wusste mir nichts entgegenzusetzen. Ich hieb wie eine Wahnsinnige auf ihn ein, mein Triumph blendete alle anderen Empfindungen aus. Ich brauchte beide Hände, das Blut machte den Speer glitschig wie nasse Seife. Meine rechte Handfläche brannte wie Feuer, aber ich schlug immer weiter, sah mein Blut um mich spritzen, hörte das Knallen von Metall auf Metall wie meine eigene kreischende Euphorie. Funken blinkten, ohne dass ich selbst einen Treffer kassierte. Irgendwann hatte ich ihn an der Wand. Sein Gesicht schimmerte bläulich, ebenso die Konturen seiner Lippen.
    Darf ich jetzt endlich fragen? Lässt du mich jetzt reden?, wollte ich schreien. Wo ist das letzte Spiegelblut? Was ist ein Nachtschattenherz? Wieso tust du mir das an? Jede Frage war ein Schlag nach ihm. Dass er sich längst nicht mehr verteidigte, bekam ich erst mit, als das Klirren nach den Hieben ausblieb.
    Er hatte seine Waffe von sich geschleudert. Verwirrt hielt ich mitten in der Bewegung inne, wechselte den Speer in die unverletzte Hand, anstatt ihn auf sein dämliches Herz zu setzen.
    Es war plötzlich so still. So still wie an einer schneebedeckten Grabstätte auf einem einsamen Winterfeld. Silbersterne tanzten in meinen Augenwinkeln. Silbersterne vor einem schwarzen Horizont, dazwischen war irgendwo sein Gesicht. Er sah mich an. Der Duft von Mondwind schloss Spiralen um mich wie eine zärtliche Fessel. Ich verlor das Gefühl für Zeit, sah nur noch ihn und diese dunklen Augen, die mich zu sich zogen. War das Magie in Spiegelsicht? Es fühlte sich an, als dürfte es nicht sein. Nicht mit ihm. Niemals mit ihm!
    Auf dem Boden platzten meine Blutstropfen, ich konnte sie hören: Pling. Pling. Pling. Jeder Tropfen hatte einen anderen Klang, eine unablässig flüsternde Melodie, die durch die Lautlosigkeit des weißen Schnees floss.

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