Spiegelblut
Ich wollte die Blutung stoppen, ballte meine Hand zur Faust, aber es hatte mehr die Wirkung einer Zitruspresse – plingplingplingpling. Irgendetwas passierte mit Damontez’ Augen. Sie wurden noch dunkler, verschwammen wie Schatten in Schatten, sein Wimpernkranz bebte, die Stellen links und rechts seines Nasenrückens färbten sich hellblau wie ewiges Eis. Der Raum wurde kalt, oder war das seine Haut? Kein Atem, nur Kälte. Ich fing an zu zittern.
Was ist das? Dieses Mal wollte ich nicht schreien, sondern flüstern. Mein Herz schlug so heftig, dass der Puls über meine Bauchdecke zuckte. Aber was los war, wusste ich selbst am besten, ich hatte es schließlich provoziert. Eine kleine Stimme in mir schrie – nimm den Scheiß-Speer und ramm ihn in sein Herz –, doch ich hörte sie, als steckte mein Kopf in einer Watteschicht. Im nächsten Augenblick entwaffnete er mich. Ich ließ es widerstandslos geschehen, stand nun unbewaffnet und blutend vor einem Halbseelenträger, zählte mich selbst ins Aus. Eins, zwei, drei, wie lange konnte er sich zurückhalten? Ich schloss die Augen und wartete.
Irgendwann hörte ich das Klicken der Eisenringe wie die Besiegelung meines Schicksals und blinzelte.
Er kam zu mir zurück. Ich wollte weglaufen, doch ich konnte mich nicht rühren … noch nicht einmal meine blutende Hand abwischen konnte ich. Zu meinen Füßen glänzte ein nasser, roter See, er war nicht groß, aber mir kam er so unheilvoll vor wie Loch Ness. Damontez starrte in meinen Rücken, er wartete auf etwas. Auf mich. Langsam drehte ich mich um und fand mich erneut Auge in Auge mit ihm wieder. Wie lange wir uns ansahen, wusste ich nicht, es hätten Sekunden sein können oder Ewigkeiten. Mein Herz raste, vielleicht würde er mir gleich sagen, dass er mich freiließ, weil es zu gefährlich wäre, mich hier bei ihm gefangen zu halten, unberechenbar, wie ich war. Vielleicht würde er mich aber auch anspringen, umreißen und umbringen. In beiden Fällen hätte ich gewonnen. Vielleicht würde er auch gar nichts davon tun. Dann hätte er gewonnen. Ein winziges Stimmchen in mir flüsterte, dass dies keine Schlacht war, die man schlagen konnte. Ich wurde unsicherer, je länger ich einfach so dastand, bis ich spürte, dass ich die Einzige von uns beiden war, die noch nicht verstand. Er wollte gehen.
Blick runter, hinter ihn , befahl mir das Flüstern, und ich gehorchte dem Befehl wie auf Autopilot. Er verließ den Raum, schleifte mich hinter sich her, ohne mich zu berühren. Die Stille, mit der er mich strafte, war wie ein Seil, das mich an ihn fesselte und an dem er jetzt so straff zog, dass ich nur eilig hinter ihm her stolperte, obwohl ich mich so sehr vor ihm fürchtete.
Den ganzen langen Weg hinab in die Kellergewölbe hoffte ich auf ein Wort von ihm, aber er schwieg. Was würde er hier unten mit mir anstellen? Er öffnete die Tür und wies mich in das Verlies. Kaum war ich drin, krachte die Tür hinter mir zu und ich war allein.
Mit klopfendem Herzen sank ich auf die Matratze, brauchte mehrere Minuten, um überhaupt wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Dann inspizierte ich meine Wunde. Meine Hand blutete auf die Daunendecke, die beiden Schnitte sahen grauenhaft aus. Sie waren so tief, dass ich das weiße Fleisch und die darunterliegenden Muskeln erkennen konnte.
Um nicht meine kostbaren Daunen zu ruinieren, stellte ich mich in die Zimmerecke und ließ das Blut laufen. Keine drei Sekunden später klopfte es und Shanny huschte ins Zimmer, gefolgt von Damontez. Er blieb im Türrahmen stehen, bis sie meine Wunde versorgt und das meiste Blut von mir abgewaschen hatte.
Danach trat er vor und bedeutete mir mit einer Handbewegung, mich auf die Matratze zu setzen. Wortlos nahm er meine verletzte Hand und umschloss sie mit beiden Händen. Es kribbelte und brannte ein bisschen, doch als er sie losließ, hatten sich beide Schnitte geschlossen. Ich starrte auf den Boden. Eloi hatte mir früher einmal von der übernatürlichen Heilkraft der Vampire erzählt. Trotzdem fuchste es mich, dass er mir half und sich so geradezu großzügig gegenüber meiner Dummheit zeigte.
Ich murmelte ein winzig kleines zerknirschtes »Danke«.
Aber Damontez war noch nicht fertig mit mir.
»Deinen Pullover!« Er streckte nur den Arm zu mir hinunter. »Shanny, du nimmst die Decke mit und – wasch sie gründlich.«
»Sorry, Coco, sie ist voller Blut«, entschuldigte sich Shanny bei mir, als sie sich bückte, um meine kostbaren Daunen
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