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Spiegelblut

Spiegelblut

Titel: Spiegelblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uta Maier
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meinem Kopf gehört hatte, als ich Damontez zum ersten Mal begegnet war, passte zu den Seelenbrüdern. Welche Seelenhälfte hatte ich gespiegelt?
    »Und, was glaubst du?«, fragte mich Shanny vorsichtig. »Bist du ein Spiegelblut?«
    Ich zuckte mit den Schultern. Noch konnte ich ehrlich antworten. »Ich weiß es nicht.« Ich vertraute ihnen, beiden, aber ich wusste nicht, in welcher Beziehung sie zu Damontez standen, ob sie es ihm sagen würden.
    Myra schlug die Decke zurück und sammelte am Boden ihre Zigaretten ein. »Komm Shanny, gehen wir. Ich hab so ein komisches Gefühl. Wir müssen es ja nicht auf die Spitze treiben, lass uns lieber öfter vorbeischauen.« Sie stand auf.
    »Geh schon mal vor, ich komme gleich! Und gib mir ein Zeichen, wenn er kommt.«
    Myra nickte, lächelte mir zu und schlüpfte aus dem Zimmer.
    »Die Decke darfst du behalten.« Shanny grinste schüchtern und drückte mich vorsichtig an sich, als hätte sie die blauen Flecken und nicht ich. »Damontez hat mir nicht verboten, dir eine andere zu bringen … Coco …« Sie druckste ein wenig herum, sah zur Tür, dann beugte sie sich vor und flüsterte: »Wenn du ein Spiegelblut bist, hole ich dich hier raus. Du sollst nicht in einer Welt gefangen sein, in die du nicht gehören willst! Aber Myra darf es unter keinen Umständen erfahren. Auch Pontus nicht. Niemand. Versprich es mir!«
    Ich schluckte ungläubig und meine Augen füllten sich sofort mit Tränen. Ich brachte kein Wort heraus, noch nicht einmal ein: »Versprochen.« Erst nach einigen Sekunden stammelte ich ein hoffnungslos schwaches: »Wieso hilfst du mir?«
    »Persönliche Gründe. Ein andermal!« Und weg war sie, wie ein Geist.
    »Versprochen«, flüsterte ich.

13. Kapitel
    »Lieben – das heißt,
Seele werden wollen in einem anderen.«
    FRIEDRICH SCHLEIERMACHER
    Die nächsten Wochen vergingen viel zu schnell. Der erste Schnee fiel früh – bereits im Oktober war es Winter geworden, ganz untypisch für diese Gegend. Noch immer wussten sie nicht, was Coco war.
    Damontez hatte sie nach dem Versuch, ihn mit seiner Schwäche schachmatt zu setzen, zwei Tage lang in Einsamkeit gefangen gehalten. Auf seine Frage hin, wie viel Zeit vergangen sei, antwortete sie ihm mit »Eine Woche«.
    Vor drei Jahrhunderten hatte Pontus von einem alten Spiegelblutjäger etwas über einen fragwürdigen Test erfahren, der ein Spiegelblut als solches auswies. Doch die Grausamkeit dieses Experimentes ließ ihn dieses Wissen vor Damontez geheim halten. Bei dem Test wurden dem Opfer so viele Sinne wie möglich blockiert. Je schneller es halluzinierte, desto wahrscheinlicher war es ein Spiegelblut, da die Engelsinne sich gegen diese Blockade mit Bildern, Farben und Tönen zur Wehr setzten. Einmal war er Zeuge einer solchen Blockade geworden. Er hatte bereits vorher gewusst, dass der arme Tölpel ganz sicher ein begnadeter Aufschneider, aber bestimmt kein Spiegelblut war. Drei Tage hatten ihn die Seelenlosen mit Stille, Bewegungslosigkeit und Dunkelheit gequält, doch nichts war passiert. Am Ende hatten sie ihn aufgeschlitzt wie ein Stück Vieh und sein Blut geteilt. Diese dunklen Kreise waren ihm nie eine wirkliche Hilfe bei der Suche nach einem Spiegelblut gewesen. Sie selbst und ihre Methoden ekelten ihn an und schon bald hatte er ihnen den Rücken gekehrt.
    Aber der Verlust für das Gefühl von Zeit und Raum – genau das war Coco in dem Verlies passiert. Isolation war in einem gewissen Sinne mit einer Blockade vergleichbar, und somit konnte es ein Beweis für ihre wahre Natur sein.
    Mit dieser Strafe hatte Damontez es endgültig geschafft, sie einzuschüchtern, sie hielt den Kopf mittlerweile so selbstverständlich unten, dass sich sein Magen verknotete, wenn er sie betrachtete. Sie hatte Damontez ihr Blut auf dem Silbertablett serviert, sich damit aber wahrscheinlich auch von ihrer größten Angst befreit: die Angst, er würde von ihr trinken. Er hatte widerstanden, jetzt hatte sie Gewissheit, dass er es konnte. Vielleicht fügte sie sich deswegen.
    Pontus umschritt Wache haltend die Wehrmauer des Sanctus Cor und dachte an das Mädchen. Sie veränderte Damontez. Sie veränderte alle. Als wehte der süße Duft des Aliquid Sanctum bereits durch die Gänge des Sanctus Cor und tauchte sie in gelbes Sonnenlicht. Sogar die Vampire schienen freundlicher, es gab weniger unnützes Machtgerangel mit den Lichtträgern. Sie war wie eine wunderbare Melodie, die einen so unmittelbar traf, dass einem der Mund offen

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